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Hier findet sich ein kleines Tagebuch über von mir gelesene Bücher.Nach dem Tode Stalins begann das ZK der Partei, exakt und konsequent eine Politik durchzuführen, die darin bestand
nachzuweisen, dass es unzulässig und dem Geist des Marxismus-Leninismus fremd ist, eine einzelne Person herauszuheben und sie
in eine Art Übermensch mit übernatürlichen, gottähnlichen Eigenschaften zu verwandeln. Dieser Mensch
weiß angeblich alles, sieht alles, denkt für alle, vermag alles zu tun, ist unfehlbar in seinem Handeln.
Rede von Nikita Chruschtschow auf dem XX. Parteitag der KPdSU am 25. Februar 1956, erstmals veröffentlicht in Iswestija,
1989, Nr. 3, S. 128-170.
Ihr Debüt im Phantastik-Bereich gaben die Brauns 1972, der genaue Umfang des Stalin-Kultes war noch lange nicht bekannt
geworden, die o.g. Rede unveröffentlicht, die DDR auf einem politischen Höhepunkt. Das Viermächteabkommen beschert
dem sozialistischen Staat eine erste internationale Anerkennung und Erich Honecker verspricht seinen Bürgern wirtschaftliche
und soziale Verbesserungen, nachdem er unter heftigem Streit seinen politischen Ziehvater innerhalb der Partei, Walter Ulbricht,
als SED-Chef ablöste und nicht zuletzt steckte der Prager Frühling allen Intellektuellen tief in den Knochen.
Dieser Hintergrund ist in sofern wichtig, als das Der Irrtum des großen Zauberers in erster Linie eine ironische
Parabel auf das gesellschaftliche Leben der DDR darstellt.
Im utopischen Land Plikato hat sich ein Herrscher mit Hilfe von blödmachenden Birnen einen totalitären Staat geschaffen.
Dieser Multi Multiplikato will alle Menschen durch Maschinen ersetzen lassen, die er für zuverlässiger und besser
hält.
In diesem Land lebt Oliver Input, der eines Tages beschließt, seine Birne nicht mehr zu essen und die drei letzten
Bücher aus der Schule klaut, um sie zu lesen, was natürlich strengstens verboten ist.
Mit dem Wissen aus den drei Nachschlagewerken kommt er auf die Idee, Affen in die Schule zu locken. Bei seiner Heldentat wird er
von einem Fremden aus der Hauptstadt Integral beobachtet und justamente zum ersten Schüler der kybernetischen Akademie
auserwählt um dereinst Erbe und Nachfolger des Landesvaters Multi Multiplikato zu werden.
Doch Oliver Input ist neben zunehmender Technikbegeisterung in erster Linie Anarchist, der aus kindlicher Naivität heraus
seine Umgebung kritisch beobachtet und sich sein Wertesystem nicht von anderen aufzwängen lässt. Nicht ganz
unwesentlichen Einfluss hat dabei natürlich ein Mädchen, das er in einem Restaurant unter dem Tisch kennenlernt.
Je tiefer er in den Dunstkreis seines Ziehvaters gerät, um so dringender wird in ihm der Wunsch, dessen Diktatur zu beenden,
nicht gerade um die Welt zu retten, ein Kuss von Naida würde ihm schon reichen. Und so kommt es zu einer gemächlichen
Palastrevolution, in der es um Maschinen, Birnen und letztendlich auch um Särge geht.
Aus heutiger Sicht ließt sich Der Irrtum des großen Zauberers wie ein deutlicher Rundumschlag auf Diktatur und
Personenkult, aber auch auf maschinelle Automatisierung und Verblödung der Menschen durch Drogen und Entertainment.
Oliver Input spielt dabei ein Regulativ, das das System von innen heraus zerbrechen soll. Doch ist der Zerfall des Birnenstaates
Plikato ein erstaunlich weitsichtig beschriebener Prozess. Als Multi Multiplikato dem von Oliver Input eingeflüstertem Wahn
verfällt, in jeder Sache der Größte werden zu wollen, und die Anschaffung neuer Maschinen immer mehr Geld
verschlingt, bricht das Wirtschaftssystem langsam zusammen. Der eilig eingestellte menschliche Finanzexperte lässt, um die
Kosten durch Birnenexporte bezahlen zu können, die Bevölkerung Plikatos von der Birnenversorgung ausschließen.
Und plötzlich wachen die Leute wieder auf, ihr birnenvermanschtes Hirn beginnt zu denken und unbemerkt vom besessenen und
abgeschotteten Multiplikato ändert sich das Land, nehmen es die Menschen in ihre eigenen Hände.
Somit ist der Ausgang glücklich. Die Hoffnungslosigkeit von Orwells 1984 gehen die Brauns nicht mit. Man kann durchaus
vermuten, dass sie den Menschen tatsächlich zutrauen, die Diktatur zu beenden. Obwohl Oliver Input als Prinz seinen Teil
beiträgt, hat sich das System letztendlich selbst zerstört und der größere Teil der Veränderungen geht
auf das Volk zurück.
Diese erstaunliche Parallele zum Untergang der DDR macht aus diesem Buch im Nachhinein mehr als eine spinnerte Parabel. Johanna
und Günter Braun waren nie Freunde einfacher Science Fiction Geschichten. Durch ihre Lösung von der Realität,
der Aufweichung formaler Wahrheiten, geben sie ihren Figuren nicht nur die Möglichkeit Grenzen zu übertreten, oder die
normalen Absonderlichkeiten abzuschütteln, den Brauns gelingt es auch diese Surrealität immer auch als Spiegel der
Gegenwart aufzustellen, in der Handelnde und Komparsen zu Ebenbildern werden. Dicht dran und doch einen Hauch daneben. Eine
Kunst, die mir einzigartig in der deutschen SF zu sein scheint.
Selten habe ich so wenig zu einem Buch zu sagen.
Es beginnt mit einem recht langen Prolog ohne eine richtige Handlung. Alles wirkt etwas bieder.
Die Beschäftigung mit Zeitreisen ist natürlich heute nicht mehr ganz so von neuen Argumenten geprägt wie zur
Entstehungszeit des Buches.
Immerhin bietet der Roman bisher eine nette Sicht auf den Zeitgeist (an gute Amis hab ich mich inzwischen gewöhnt), Jeschke
beweist dabei einen erstaunlichen Hang zur Ironie, phasenweise ist das Buch pure Satire.
Das Ende ist zwar sehr stimmungsvoll, aber letztendlich in seiner Handlungsarmut enttäuschend.
Jeschke fasst die interessanten Entwicklungen oft in sehr kurze Übersichten, das erinnert an Asimov.
Stilistisch ist er sehr sauber, weder langweilig noch einfallslos.
Aber alles in allem hinterlässt der Roman in mir das Gefühl, als ob Jeschke nur in der Materie rumstochert,
anreißt ohne zu entwickeln.
Das Leben in der Festung etwa blieb für mich sehr vage und unvorstellbar. Eine Frau unter zig Männern, was passiert da?
Kann die Technik tatsächlich über so lange Zeiträume hinweg von so wenigen Leuten gewartet werden?
Wie funktioniert die gesellschaftliche Ordnung tatsächlich? Gibt es Verbrechen, wie werden sie geahndet, wie die Strafen
durchgesetzt?
Alles nur Nebel. So viele Gutmenschen und nur ein echter Fiesling...
Ein Buch, das die Bezeichnung "Meisterwerk der deutschen SF" nicht verdient sondern eher zur breiten Masse gut lesbarer
SF-Romane zu zählen ist.
Endlich geht es ins große Finale des Krieges der Spinnenkönigin. Zwar sind in Band 5 bereits einige
Handlungsfäden geschlossen worden, aber die wichtigsten Fragen drängen noch auf eine Klärung, vor allem
natürlich, wer die Reise zu Lolth überleben wird, und ob Halisstra es schafft, Lolth zu töten. Sicher ist gerade
die letzte Frage eher theoretisch, wenn man bedenkt, dass das AD&D-Universum ohne die Spinnengöttin um einiges ärmer
wäre und eine so gravierende Änderung, wenig wahrscheinlich ist, aber dennoch, ist man gespannt, wie der Autor, dieses
Problem löst.
Er erledigt sich dieser Aufgabe sehr elegant und vor allem passend. Paul Kemp gelingt ein wunderbar müheloser Abschluss der
Serie.
Es gibt drei Haupthandlungsebenen.
Zum einen die Gruppe um Quenthel. Die beiden Priesterinnen stehen sich unerbittlich gegenüber, Quenthel wird als etwas
zögerliche, aber wieder gefestigtere Drow dargestellt, deren Motiven weitestgehend im Dunklen bleiben. Danifae, die sich
nicht nur von ihrer ehemaligen Herrin Halisstra emanzipiert hat, sondern auch zunehmend gegenüber Quenthel Macht
demonstriert, hat durch geschickte Manipulation den Baenre Sohn Jeggred auf ihre Seite gezogen. Damit verfügt sie über
genügend Unterstützung innerhalb der Gruppe, um sich gegen Quenthel behaupten zu können und sie sogar offen
herauszufordern. Da beide sich als Yor’thae sehen, wird die Auseinandersetzung immer härter. Pharaun, der sich gerne alle
Möglichkeiten offen lässt, muss sich entscheiden. Dass er sich zu Quenthel stellt, bringt ein labiles Gleichgewicht in
die Gruppe. Allerdings ist seine fast traditionelle Feindschaft mit Jeggred das genaue Gegenstück zum kalten Krieg der
Frauen. Die Szenen, in den Pharaun Jeggred aufzieht und reizt, stecken voller witziger Dialoge, wirken zum Teil überzogen
und etwas zu massiv, jedoch betonen sie die Risikofreudigkeit des Magiers.
Ohne Zweifel ist Pharaun die eigentliche Hauptfigur der Serie und auch Kemp widmet sich ihr mit Hingabe. Dieser Drow-Magier ist
derartig gut und detailliert herausgearbeitet worden, dass er ohne Zweifel zu den bedeutendsten Schöpfungen im AD&D
Universum zu zählen ist.
Der zweite Handlungsschwerpunkt ist Menzoberranzan. Erzmagier Gromph zieht alle Register, um den untoten Drowmagier der Dyrr
endgültig zu besiegen. Paul Kemp beschreibt eine Zauberschlacht auf hohem Niveau, ohne aber der Figur oder der Stadt etwas
neues hinzuzufügen. Es macht zwar ohne Zweifel Spaß, Gromph bei seinen Zaubereien zu begleiten, und Kemp hat eine
Menge Ideen, was mit Zauberei alles möglich ist, aber letztendlich sind es reine Action-Kapitel ohne weiteren Anspruch.
Am interessantesten aber sollte eigentlich die Handlung um Halisstra sein. Während man noch im Band Fünf der Serie eine
gewisse Chance erkennen konnte, dass Halisstra mit der Mondsichelklinge die Spinnengöttin umzubringen vermag, setzt Kemp von
Anfang an mit massiven Zweifeln entgegen. Allein schon, dass Halisstra ebenfalls zu den möglichen Kandidatinnen für
Lolths Yor’thae zählt, untergräbt den neuen Glauben der Priesterin.
Durch Halisstra kann sich Kemp näher mit dem Wesen der Bösartigkeit der Drow auseinandersetzen. Warum sind sie dem
Bösen so verfallen und was ist das überhaupt, jene angeborene Bösartigkeit. Halisstra unterliegt nicht nur ihrem
Schicksal, an das Drow nicht glauben, das es dem Chaos widerspricht, das sie aber dennoch berührt als Summe ihrer eigenen
Kultur, ihrer Sozialisation und nicht zuletzt dem Willen ihrer Götter, vor allem Lolths, Hallistra scheitert zuletzt auch an
den eigenen Zielen. Ihr Feldzug gegen Lolth ist nur vorgeschoben, in Wahrheit begehrt sie gegen etwas ganz anderes auf. Dieser
innere Kampf, den schon Drizzt Do’Urden führte, und anders löste, ist jenes Quentchen Unordnung, dem Wesen nach eine
Anomalie, die immer wieder auftritt und vielleicht nicht mehr darstellt, als Lolths geheimnisvolle Spielchen. Kemp lässt es
die Göttin selbst sagen:
"Du willst Begründungen, einen Sinn und einen Zweck. Das ist deine Schwäche. Verstehst du denn noch immer nicht? Das
Chaos bietet keine Begründungen, keinen Sinn und keinen Zweck. Chaus ist, was es ist, und das ist genug."
Womit Kemp sich endlich auch der Frage stellt, warum die Drow, als Anhänger des Chaos, in einer streng geordneten Welt leben,
voller Regeln und Strukturen. Die Drow sind noch lange nicht da angekommen, wo Lolth sie hinhaben will. Ohne dass sie es selbst
recht erkennen, sind sie in ihre Ordnung vernarrt.
Feder und Schwert liefert auch mit dem letzten Band des Krieges der Spinnenkönigin eine verlegerisch überzeugende Arbeit
ab. Alle sechs Bände glänzen durch düstere, aber phantastische Cover, und einer gelungenen Aufmachung. Weder die
Übersetzung von Daniel Schuhmacher und Ralph Sander, noch Lektorat und Korrektorat lassen Raum für Kritik.
Der Krieg der Spinnenkönigin ist eine spannende und dunkle Serie innerhalb der Forgotten Realms, mit zum Teil herausragenden
Figuren, eine Menge an farbigen Details aus der Unterwelt und jeder Menge Blut, Kampf und Spinnenweben.
Die sprachliche Qualität der einzelnen Autoren ist mit Sicherheit überdurchschnittlich, Meisterwerke der Fantasy sind
aber in der Reihe nicht zu finden, dafür sind Handlung und Stil zu sehr dem Mainstream unterworfen. Leichte Kost für
Fantasy-Fans mit Freude an verwerflichen Figuren und Schauplätzen.
Für deutsche Fans der Abenteuer von Fafhrd, dem großen Nordling und seinem quirligen Freund, dem Grauen Mausling,
gab es bisher einen großen Wermutstropfen: Die veröffentlichten Geschichten lagen zumeist in stark gekürzter und
eher fraglicher Übersetzung vor. Die Edition Phantasia hat es nun übernommen, den Ursprung der klassischen Sword &
Sorcery in einer neuen Überarbeitung, ungekürzt, neu übersetzt und ergänzt um bisher in Deutschland
unveröffentlichte Texte, für den kleinen Freundeskreis guter Fantasy herauszugeben.
Damit wird das Schaffen Fritz Leibers ironischer Weise einer ähnlich großen Leserschaft zugänglich gemacht, wie
sie Leiber vorfand, als er mit seinem Freund Harry Fischer, die beiden ungleichen Figuren erschuf.
Doch wir Leser sind inzwischen tolkienerfahren, kennen Kane und Conan, Rincewind natürlich und ja, auch Harry Potter. Neben
vielen weiteren guten und schlechten Fantasy-Werken ist es daher gar nicht so leicht, angesichts der großen Zahl von
Fantasy-Werken, die man schon kennt, unbefangen an die Lektüre Leibers zu gehen.
Doch die Auswahl beginnt zunächst mit Informationen, die uns Entstehungszeit und den Autor um einiges näher bringen.
Wenn Michael Moorcock von den rezitatorischen Qualitäten Leibers schwärmt und ihn einen der ganz Großen nennt,
beginnt das Staunen.
Leibers eigene Vorworte zu den amerikanischen Ausgaben, in denen er uns am Schreiben der Abenteuer von Fafhrd und dem Grauen
Mausling teilhaben lässt, aber auch selbstironisch seine eigenen früheren Vorworte auf Eitelkeiten hin untersucht,
stimmen erwartungsfroh, man ahnt bereits, keine trivialen Geschichten kredenzt zu bekommen.
So ist denn auch der erste Text nach den beiden Gedichten über den Mausling, eine Einstimmung, kurz wie das Einatmen vor dem
ersten Satz, wenn man bereits den Duft des Papiers und der Druckerschwärze in sich aufnimmt.
Leiber schrieb die beiden Geschichten Die Schneefrauen und Der unheilige Gral als biographische Vorgeschichten für seine
Helden. Fafhrds Herkunft als nordischer Skalde, schwerterfahren und von kupferner Haarfarbe, der im Matriarchat seiner Sippe zum
Jüngling reift, um an die Grenzen seiner Welt zu stoßen und das Fernweh zu spüren bekommt. Er verliebt sich
heiß in die Schauspielerin Vlana und obwohl sie ihn mehr deshalb akzeptiert, weil er der Sieger im Kampf um sie bleibt,
hilft sie ihm beim Bruch mit seiner alten Welt, macht den Weg frei nach Lankhmar, dem Nabel der Welt Nehwon.
Der Graue Mausling war zunächst Maus, Lehrling eines Hexers, den Verrat und Vernichtung lehrten, was Hass ist und welche
Macht er in dieser Welt besitzt. Mit einem dunkelmagischen Mord und der schönen Ivrian als seinem okkulten Gefäß,
platzt er aus dem Mantel der Jugend und zieht ebenfalls nach Lankhmar, doch als Grauer Mausling.
Beide Geschichten wurden eingepasst in die folgende Erzählung, die Nebula und Hugo Awards erhielt und einen der
Höhepunkte der Abenteuer darstellt: Schicksalhafte Begegnung in Lankhmar. Es wird nur eine einzige Nacht geschildert, doch
mit Leibers theatergeprägter Dramatik wechseln sich Sieg und Niederlage in tragischer Folge ab. Neben dieser stilistischen
Finesse schwelgt das Werk in einer überbordenden Sprachgewalt und -farbe, die den Eindruck nur noch intensiviert, dass hier
wirklich großes Theater geboten wird. In solcher Konzentration gibt es nur sehr wenige Fantasy-Erzählungen.
Der zweite Teil, Schwerter gegen den Tod, enthält mehrere kurze Geschichten aus den frühen Jahren von Leibers
schreiberischen Aktivitäten, kleine Miniaturen über exotische Bedrohungen, verborgene Schätze, die meist keine sind
und vor allem Wesen, die nur auf den ersten Blick Menschen sind. Eingebettet aber sind sie in den unheiligen Trieb der Beiden,
ihre Geliebten und toten Frauen zu vergessen. Sie ziehen tatsächlich gegen den Tod, besiegen aber erneut nur sich selbst.
Dieser Rahmen ordnet die an sich schon fesselnden Geschichten zu einem verführerischen Strauß weißer Lilien, um
mit einer Geschichte zu enden, die auf mehreren Ebenen faszinierend und phantastisch zugleich ist: Basar des Bizarren. Der
hinterlistige Mausling verfällt der blendenden Wirkung eines Kauftempels, wähnt sich in Lust und Laster, um sich in
Wirklichkeit zwischen Unrat und Spinnen zu suhlen, nur einen Schritt davor, sich im dunklen Nichts zu verlieren. Fafhrd, magisch
geschützt, reißt seinen Freund dort heraus. Auf ihrer Suche nach ihren toten Geliebten verpflichteten sich die beiden
jeweils einem Zaubermentor, Schilba mit dem blinden Antlitz und Niengaubel Siebenaug. Diese spielen hier die Auftraggeber und
Überwacher, die trotz allen Wissens böse und feige kneifen, ihre Hilfe ist kurz, ihr Lohn garantiert deutlich höher
und wenn es nur der Preis ihres Zaubererlebens ist. Fafhrd kämpft hier nicht nur gegen den Trug von Konsum oder des
mächtig Bösen, er legt auch den Weg fest, den er und der Graue Mausling beschreiten, emanzipiert von Allem. Sie dienen
und sie stehlen, lügen und betrügen, aber in bester amerikanischer Manier sind sie frei.
Fritz Leiber benutzt gern Erzählstrukturen, die den Leser dazu zwingen, vom Gewohnten abzuweichen. So beginnt etwa Die
unwirtliche Küste mit einer typischen Kneipenszene begonnen, dann jedoch, als der Handlungsbeginn erfolgt, die Quest
gestellt ist, wechseln Perspektive und Zeitfluss. Die nächsten Teile des Geschehens erfahren wir aus zweiter Hand, aus den
nachträglichen Berichten des Mingols Ourph, der die beiden Helden zu Beginn ihrer Reise begleitet. Erst danach springt der
Blick zurück zu Fafhrd und dem Grauen Mausling, um ein kurzes aber erstaunliches Finale zu offenbaren. Wie meist in den
Geschichten, geht es Leiber deutlich mehr um den Weg, als um das Ziel.
Interessant ist auch Leibers Behandlung von Magie und der damit irgendwie verbundenen Religion. Während in Die Schneefrauen
eine ursprüngliche und naturverbundene Magie zur Anwendung kommt, die für private Dinge eingesetzt wird, etwa um
Männer zu disziplinieren, die anderen Frauen nachstellen, sind Schilba und Ningaubel Siebenaug Vertreter einer umfassenden
Macht, die alles bewirken kann, also dem Wirken von Göttern gleich ist. Ähnliches erfahren die beiden in Klauen der
Nacht, die sie mit alten Ritualen konfrontiert, und einem Ende, wo die Grenzen von billigem Zauber und echter Religion
verwischen. Leiber formt damit eine Welt, die auf unterschiedliche Weise magisch ist, so dass er seine Figuren jederzeit mit
Horror oder Zauberei überschütten kann.
Der Beginn der Edition hinterlässt einen sehr guten Eindruck. Die kleine Schrift ist sorgfältig gesetzt und bietet damit
auf nicht allzu vielen Seiten eine ordentliche Ladung Leiber. Somit ist auch der Preise gerechtfertigt. Das Titelbild ist
comichaft und unterstreicht den etwas düsteren Ton der Geschichten und hebt sich deutlich von den sattsam bekannten
Fantasycovern anderer Verlage ab.
Fritz Leibers Werk wird in dieser Ausgabe in vollem Umfang Rechnung getragen, eine Anschaffung ist für alle zu empfehlen, die
hervorragend inszenierte und spannend erzählte Geschichten mögen.
Der Roman hält von Anfang an gefesselt, was zunächst nicht so sehr mit der Handlung zu tun hat, sondern damit, wie
viel Mühe sich der Autor gibt, uns seine Figuren vorzustellen. Der Schotte McAllon hat bereits eine komplexe
Hintergrundgeschichte bevor das Abenteuer beginnt. Dabei wurde kein einfacher Infoblock serviert, sondern einige gute Szenen, die
nicht nur Kulturvisiting betreiben, sondern nebenher auch die Gefühlsebene und Sozialstruktur des Helden abdecken.
Dann beginnt ein Ausgrabungsgeschichtlein. Neben doch recht plakativen Figuren, wie dem US-Militär, dem schleimigen
Regierungsvertreter, dem kompetenten Assistenten, dem väterlichen Mentor und der schnuckeligen Ex folgt die Handlung den
Erwartungen, das heißt alles scheint irgendwoher kopiert zu sein.
Dem versucht der Autor entgegenzuwirken, in dem er weitere Handlungsbereiche im fernen Weltall hineinwebt.
Aber Charakterisierung ist die große Schwäche des Romans. Die dritte Hauptperson, Keleeze, handelt zwar sehr integer
und umsichtig, aber für mich las es sich wie ein weiteres Kapitel um Ashia. Zu sehr ähneln ihre Aktivitäten.
Interessanter wird es allerdings, als klar wird, dass die Erde ein verlorener Bestandteil der fremden Sternenzivilisation ist und
diese genauso vor einem Rätsel steht, wie die Menschen. So hat etwa die Szene, in der der König der fernen Sieben
Königreiche die Menschen bei ihrer Entdeckung des Coruum-Archives beobachtet, den berühmten Sense of Wonder.
Die Weltraumhandlung zieht gegen Ende mächtig an. Die Königreiche und die Gilde wollen beide das Geheimnis der
Extraktion von Coruum lösen. Offenbar sind die Menschen etwas länger im Zuchtprogramm geblieben.
Geschickt inszeniert vom Autor ist, dass die Handlungsfäden nicht zeitlich parallel zu einander laufen. Das macht es
für den Leser noch spannender, allerdings überwiegt der Handlungsanteil. Die beiden Weltraumhauptcharaktere haben doch
arg an Persönlichkeitsmangel zu leiden und dass Donavan zum Schluss derartig blass wird, hat mich auch sehr entäuscht.
Dabei hat der Autor einige sehr interessante Ideen aufgegriffen und auch einige starke Sachen beschrieben, etwa die riesige
Kraterstadt.
Ansonsten vollzieht die Handlung einige Schwenks, die zwar nicht besonders einfallsreich sind, aber die Spannung aufrechterhalten.
Allerdings habe ich den Verrat der Geheimdiensttruppen an Ashia nicht kapiert. Weder die Szene in Coruum, noch warum
überhaupt. Das hat den Schluss etwas konfus für mich gestaltet.
Das Cover enthält zwar wesentliche Handlungssymbole, leider kann man ihm aber entnehmen, mit welcher Software es erstellt
wurde und ist generell zu pixelig und aus meiner Sicht ein Fehlgriff.
Insgesamt ist Coruum ein spannender und abwechslungsreicher Roman.
Größtes Manko des Romans ist das Handlungsübergewicht und das damit verbundene Beschränken auf
eindimensionale Figuren. Diese sind aber trotz allem unterhaltsam dargestellt und machen Spaß.
Es ist natürlich eine Gemeinheit, den Roman abrupt enden zu lassen; Volume II kaufe ich garantiert.
Mitten im thailändischen Dschungel erscheint eine riesige Statue, die an einen Sieg erinnert, der zwanzig Jahre in der
Zukunft stattfindet. Für Scott, einem Amerikaner in einer Lebenskrise, ändert sich mit dem Erscheinen dieses ersten
Chronolithen sein ganzes Leben. Fortan prägt ihn die Beschäftigung mit diesen Zeugnissen einer gewalttätigen
Zukunft.
Wilson schreibt sehr breit, das heißt er bewegt viel Kontext, was seine Welt detailliert gestaltet aussehen lässt und
den Figuren eine kräftigere Farbe verleiht.
Scotts Familienleben entwickelt sich über mehrere Szenen und Rückblicke, wie wichtig seine Tochter Kaitlin für ihn
ist, erkennt er erst mit der Zeit, bzw. muss er sich durch seine Exfrau erklären lassen. Erst ziemlich spät offenbart
sich auch dem Leser, dass dieser private Handlungsrahmen, dem äußeren, nämlich die Suche nach einer Erklärung
für die Chronolithen, entspricht.
Der gesamte Roman ist ein Bericht eines älteren Scotts aus der Zukunft, subjektiv zwar aber direkt an mögliche Leser
gerichtet, dadurch bekommen Szenenauswahl und verwendete Reflexionen eine ganz andere Bedeutung.
Durch die vielen Wechselwirkungen werden die Figuren sehr stark differenziert dargestellt. Jeder hat seine eigene Note und bleibt
trotz der Erzählstruktur sehr individuell, was bis hin zu den Dialogen geht.
Figürlich eine sehr starke Arbeit.
Der Anfang ist zunächst sehr spannend. Die Chronolithen fördern eine Erwartungshaltung, eine Aufklärung
über das Problem der selbsterfüllenden Prophezeiung. Kuin, als der unaufhaltsame Welteroberer scheint ja erst durch
die Auswirkungen der Chronolithen-Landungen zum relevanten Problem zu werden.
Je weiter man in den Roman eindringt, umso relevanter werden die persönlichen Beziehungen der Figuren, das führt aber
auch zu gepflegter Langeweile, da man als Leser lieber mehr über die Chronolithen erfahren möchte.
Gehadert habe ich mit der Auseinandersetzung um die Extremisten. Ich bin einfach zu pazifistisch, um die Ansichten der
Copperheads, also jener US-Amerikaner negativ zu finden, die eine Aufrüstung gegen eine bisher nicht erkennbare und durch die
Chronolithen nur vermutete Bedrohung, ablehnen. Mich stört die damit verbundene Schwarz-Weiss-Malerei sehr. Gerade With, der
neue Mann an der Seite von Scotts Exfrau, wird mit Absicht zum Vertreter dieser Meinung auserkoren, um deren Falschheit zu zeigen
und dass man nur mit Waffen gegen drohende Gefahren vorgehen kann.
Zerbombt den Rest der Welt, dann sind wir alle Gefahren los.
Der Autor löst sein Rätsel nicht, sondert schmiert dem Leser eine mathematische Quarkstulle, die ihn unbefriedigt
zurücklässt. Was war nun zuerst da der Chronolith und das Ei aus dem Kuin schlüpfte?
Das Ende ist Twelve Monkey Like, Fatalismus pur. Der Sieg wird auf amerikanischem Boden eingefahren, die Familie ist der sicherste
Ort der Welt und hinter pazifistischen Ideen stecken Schlappschwänze und karrieregeile Idioten.
Das eigentlich interessante, wie nämlich Kuin die Welt erobert, fehlt. Über weite Strecken sind die Chronolithen
Zeugnisse unvorstellbar hoch entwickelter Technik und zum Schluss wird ihre Entwicklung als Klacks dargestellt. Diese ganze
Logikverquastung empfand ich als sehr billig, aber Wilson erweckte grundsätzlich nicht den Eindruck, gute Lösungen
für seine Handlungsprobleme finden zu können, man denke nur an das Paket von Hitch.
Adam lässt seine Mutter foltern, Ursache soll ein genetischer Defekt sein. Hier liegt die Vermutung nahe, dass der Autor
keine wirkliche Erklärung für derartiges Übel hatte.
Alles in allem sehr unbefriedigend. Wilson kann schreiben. Sein Stil gefällt mir ausnehmend gut, ich werde also ein Auge auf
ihn haben, wünsche mir aber, dass er bessere Stoffe findet.
Sein größtes Talent liegt aber wohl eher im präzisen Beschreiben einer Welt, ihm gelingt es mit wenigen
Sätzen komplexe zukünftige Zusammenhänge in seine Handlung einzubauen, seien es technische Konzepte oder
politische Entwicklungen.
Der Sieg über die Chronolithen ist die Zerstörung des Wyoming-Monumentes und das Beenden der Feedbackschleife.
Klar doch, dass das ein amerikanisches Wissenschaftler-Team schafft.
Sue ist zwar woanders geboren, aber dennoch packt es die beste Nation von allen, der asiatischen Pest zu widerstehen.
Independenz Day lässt grüßen.
Wenn man sich tiefer mit den Logikproblemen beschäftigt, kommt man zwar nicht zu einem Schluss, aber zu vielen Fragen.
Sue erkennt nach Erforschung der Chronolithen ihren Chopra-Effekt. Dann zerstört sie das Monument, begibt sich zu den
Bösen um ihnen die Technik zu geben, damit sie die Welt in Brand setzen, Monolithen in die Vergangenheit schicken (wozu
eigentlich noch?) und irgendwann bauen dumme Copperheads den überschweren Monolithen von Wyoming nach (klar dass die Technik
dazu nun soweit verbreitet ist) um noch einmal zu daran zu scheitern.
Das aber ist keine Feedbackschleife.
Sie bauen ihn nach, den ersten musste Kuin gebaut haben, oder lassen - oder nicht?
Wenn die Kuinisten von Wyoming einen nachbauen konnten, warum nicht auch Kuinisten in der restlichen nicht USA-Welt? Warum soll er
der letzte gewesen sein?
Nein. Sue beendet die Schleife.
Wer sich mit einem Paradoxon einlässt, stößt schnell an ihre Grenzen.
Wilson will hier absichtlich Ursache und Wirkung vertauschen. In seiner Erklärungen versucht er daraus ein mathematisches
Modell herzuleiten.
Seine Figuren geraten dadurch in ein festgelegtes Gefüge aus Handlungsfolgen.
Während die Chronolithen in ihrer Ursächlichkeit willkürlich sind, lässt der Autor es bei Sue und Scotty nicht
zu.
Zwar ist das Thema interessant, aber eben nicht überzeugend dargestellt.
Die Chronilithen ist ein leicht lesbares Buch, das nach gelungener Vorstellung des Rätsels in einer trivialen
Familiensaga versandet und sich selbst nicht mehr ernst nimmt.
Zeitschleifengeschichten enthalten eigentlich immer ein hohes Potential zum Nachdenken. Dabei gibt es die unterschiedlichsten
Varianten. Lem lässt Ion Tichy in der neunzehnten und einundzwanzigsten Reise seiner Sterntagebücher innerhalb
einer Zeitschleife mehrere seiner Selbst treffen, die zwar interagieren, jedoch in ihrer eigenen zeitlichen Kontinuität
synchron leben, das heißt, sie erleben stets den selben Ablauf der Schleife, variiert nur durch das Auftreten immer neuer
Tichys.
Eine sehr abgeschlossene Schleife mit nur wenigen Differenzen, erlebt die Besatzung der Next Generation Enterpreise in der Folge
Deja Vu. Hier bildet sich erst ganz langsam das Erkennen heraus, in einer Zeitschleife zu sein, markiert durch eine
räumlich feststehende Anomalie.
Der Film Und täglich grüßt das Murmeltier lässt zwar den Tag in permanenter Wiederholung laufen, der
Protagonist aber ist sich dieser Wiederholung bewusst. Sie endet erst, als er eine persönliche Entwicklung abgeschlossen hat,
die filmbedingt darin gipfelt, dass er das Mädchen bekommt.
Diese Möglichkeit der nachträglichen Vergangenheitskorrektur griff die Serie Seven Days auf, in der eine
Spezialeinheit sieben Tage zurück in die Vergangenheit zurückgehen konnte, mit dem vollen Wissen um die Zukunft.
Ken Grimwood gibt seinen Schleifen, hier Replay genannt noch weitere Noten. Die Hauptfigur Jeff stirbt stets am selben Tag und
erwacht weit zurück in der Vergangenheit, aber stets im Körper seines damaligen Ichs mit dem Geist des Gestorbenen.
Nach und nach verkürzen sich die Replays, gleicht sich der Wiedereinstieg in die Schleife seinem Todestag an, bis sie nach
mehreren Leben darüber hinaus weitergeht. Allerdings ist Jeff nicht der einzige Wiederholer. Zumindest von zwei weiteren
wird im Verlauf der Handlung berichtet, mit Pam der Frau, kommt Jef sogar zusammen. Dabei wird deutlich, dass sie alle stets
dieselben Schleifen durchlaufen, also jeweils deren Änderungen memorieren.
Grimwood nimmt sich in seinem Roman nun ausführlich Zeit zu analysieren, was alles geschehen kann, wenn man über das
Wissen seiner Zukunft verfügt. Verliebt man sich in dieselben Frauen? Wird man reich und berühmt? Wird man zum
Weltenretter?
Letztendlich wird jede Schleife dadurch ad absurdum geführt, dass sie endet. Was auch immer in der Schleife geschah und
erreicht wurde, erlischt mit dem Tod. Nur die Wiederholer erinnern sich an die Fehler und Erfolge. Das klingt deprimierend und
ist es wohl auch. Aber dennoch ist "Replay" kein Lob des Fatalismus. Eher versucht der Autor abzubilden, wie sehr unsere
Träume und Wünsche von Faktoren abhängig sind, die wir nicht selbst kontrollieren und das das in all seiner
Natürlichkeit weder gut noch schlecht ist. Jeder Mensch ist seines Glückes Schmied, jede Tat hat Konsequenzen, auch
wenn das nächste Replay alles auslöscht, Pam bleibt die Künstlerin, zu der sie die Jahre machten und Jef bleiben
die Erkenntnisse über Höhen und Tiefen in seinen Beziehungen.
Obwohl Grimwood auch Spekulationen über politische Alternativen anstellt, zudem recht radikale, liegt sein Hauptaugenmerk
doch auf der Persönlichkeit Jefs, auf seine Beziehungsfähigkeit. Insoweit ist der Roman typisch amerikanisch, eine
große, dicke Psychoanalytiker Couch.
Das Buch hat auch bei mir zu einer ganzen Menge Nachdenken geführt.
Damit hebt sich dieser Leseeindruck deutlich von anderen Büchern ab. Replay gehört wohl zu jenen Büchern, die eine
ganze Weile nachhallen. Dazu kommt noch, dass es sich flüssig lesen lässt, man verschlingt es geradezu, auch wenn man
mit den Figuren nie richtig warm wird.
Es ist nicht das ganz große Kino, sicherlich, aber hat zu Recht Kultstatus.
Die Erde in ferner Zukunft. Das gesellschaftliche Leben ist geprägt von Harmonie und ethischer Reife. Probleme werden
gemeinsam von allen Betroffenen erwogen und erst geklärt, wenn sich Ein-Sicht herausbildet, also tatsächlich von allen
begriffen und akzeptiert wird.
Für die besonders kniffligen Fälle gibt es das KKsF, das Komitee zur Klärung schwieriger Fälle. Bereits 1974
hatte Wolfgang Kellner den KKsF-Klärer, Leo Lex, in seiner Erzählung Der Rückfall zum Einsatz gebracht.
Diesmal werden die drei ZBVs (zur besonderen Verwendung) des KKsF, Klärer Leo Lex, Banause Henry und Psychosoph Scharfblick,
zu einem besonders schweren Konflikt hinzugezogen.
Eine Gruppe Jugendlicher hat sich der Prozedur unterzogen, an deren Ende sie als vollwertige Erwachsene anerkannt werden sollen.
Während dieser Prozedur müssen sie beweisen, dass sie Denkende, Fühlende und Handelnde sind. Ziel ist das
Erreichen der vollen Verantwortung.
Während die ersten zwei Eigenschaften problemlos bewiesen wurden, hat sich die Gruppe für das letzte Thema etwas
Besonderes einfallen lassen. Sie wollen etwas Unmögliches versuchen, nämlich ein Stein ihrer Stadt Gengelstedt finden,
die vor Jahrhunderten komplett umgesetzt wurde und nun im Zentrum eines riesigen Waldes liegt.
Die Gengelstedter verstehen sich als Pfleger und Bewahrer dieses Waldes. Als nun die sieben jungen Menschen enthusiastisch mit
ihrer Idee ankommen, im Wald nach einem Stein des ursprünglichen Gengelstedts zu buddeln, sagt das verantwortliche
KO-Zentrum (Koordinations-Zentrum) einfach: Nein! Man könne als Gengelstedter doch nicht einfach im Wald Unordnung anrichten.
An dieser Stelle also übernimmt das KKsF die Klärung des Konfliktes.
Doch trotz aller fortschrittlicher Denk- und Verhaltensweisen vertieft sich der Spalt zwischen den Gruppen, bis er zum Ausbruch
der Jugendgruppe aus der Gesellschaft führt.
Der Ausbruch oder der Fall Gengelstedt ist ein Stück Geschichte. Ein historisches Zeugnis einer untergegangen, fast
vergessenen Kultur. Die utopische Erzählung ist so typisch DDR-Literatur, wie ihr Inhalt auch zugleich untypisch dafür
ist.
Wie das?
Das eine utopische Gesellschaft in erster Linie Spiegelbild der Realität ist, scheint normal. Das der DDR-Leser zwischen den
Zeilen nach Kritik und Aufmüpfigkeit suchte und damit der Autor indirekt auch gezwungen war, Verstecktes zu liefern oder
recht deutlich auf das Fehlen von Anspielungen hinzuweisen, ist bereits eine jener historischen Erkenntnisse, die ein heutiger
Leser nicht notwendigerweise besitzt.
Diese veränderte Zielgruppe führt auch zu einer veränderten Sicht auf ein solches Buch. Bestenfalls ignoriert der
Leser die zeitliche und geografische Herkunft des Buches. Somit entginge ihm der ganze selbstreflexive Kladderadatsch und
übrig bliebe eine sehr exotische Utopie.
Im schlimmsten Fall allerdings wird er durch das belastete Image einer hier zu vermutenden kommunistischen Ideologie abgelenkt
oder ganz von der Lektüre abgehalten.
Allein schon die Erwähnung von Karl Marx könnte dieses Vorurteil ausreichend genug bestätigen.
Worin besteht aber die offensichtliche Exotik in der Kellnerschen Utopie, die heute über ihre DDR-spezifischen Inhalte zu
Tage tritt? Ist die Welt von Gengelstedt eine kommunistische Welt, der Traum des hoffenden DDR-Autors?
Das Problem liegt wahrscheinlich in der Benennung. Während ein westlicher SF-Autor unbekümmert jede beliebige
Gesellschaftsform skizzieren kann, ohne dass gleich das Wort Kommunismus fällt, ist dieser Namensmakel bei den
DDR-Büchern quasi systemimmanent.
Aber der Trend geht in vielen Büchern hin zu einer vollversorgten Gemeinschaft, in der die Menschen ihren eigenen Interessen
nachgehen, ohne sich um die Erfüllung ihrer Grundbedürfnisse kümmern zu müssen. Dabei bleiben natürlich
jene Utopien unbetrachtet, in denen es keine gesellschaftliche Weiterentwicklung gibt.
Die wie im Schlaraffenland lebenden Menschen, kostenlose Forschungsexpeditionen in die Tiefen des Weltraums oder bewusst in
überfluss gehaltene Zivilisationen - stets kann man auch eine freie Bedürfnisbefriedigung des Individuums erkennen.
Dieser Teil der Utopie ist also gar nicht einmal ideologisch, sondern in aller erster Linie denkbar, vorstellbar – ein Traum.
Die ökologische Basis wird in den wenigsten Werken wirklich erläutert, vermeiden die Autoren eine ideologische
Festlegung.
Kellners utopische Gesellschaft steht am Ende der DDR-Literatur und damit nicht mehr unter dem unbedingten Erfordernis
Schlagworte unterbringen zu müssen, damit das Buch erscheinen kann. Der Wortschatz bleibt zwar kulturell bodenständig
und aus der Ferne zweier Jahrzehnte recht geschwollen und umständlich, aber auch konkreter. Es gibt keine ethischen
Grundsätze der utopischen Gesellschaft, die Kellner dem Leser nicht erklärt. Mit Hilfe des geschichtsbewanderten
Banausen Henry werden immer wieder Beziehungen zum Heute hergestellt und dabei sind nicht wenige Bezügen immer noch
aktuell, wenn etwa Rowdytum oder Umweltverschmutzung zur Sprache kommt.
Die Menschen in Kellners Utopie haben eine Streitkultur entwickelt, die es ihnen erlauben soll, einen funktionieren Ausgleich
zwischen Individuum und Gemeinschaft herzustellen.
Denn darin liegt stets das große Problem derartiger Konzepte.
Der Mensch als Individuum hat jede Menge Bedürfnisse, deren Erfüllung sich nicht unbedingt mit den zivilisatorischen
Zielen seiner Menschengemeinschaft, der er angehört, deckt.
So bleibt etwa mein Bedürfnis nach diversen Büchern unbefriedigt, weil ich sie mir nicht leisten kann. Eine kostenlose
Verteilung von Büchern führte aber zu letzter Konsequenz zum Zusammenbruch der Gesellschaft, da sie auf einen direkten
Wertausgleich aufgebaut ist. Von meinem Lob oder Tadel kann der Autor eines Buches eben nicht leben.
Genau hier aber muss das Konzept einer utopischen Welt eine Lösung anbieten.
Bei Kellner sieht das so aus, dass nicht nur die Gesellschaft in der Lage ist (eine ökonomische Erklärung liefert auch
Kellner nicht), sowohl Grund- als auch Luxusbedürfnisse der Menschen zu erfüllen, sondern diese wiederum in ihren
Bedürfnissen an den Staat angepasst sind. So wie bei Wells findet sich eben immer jemand, der das Notwendige tut, weil er
es will, es ihm ein Bedürfnis ist.
Der Gesellschaft dienen ist heute so fehlbesetzt. Eine freiheitliche Ordnung verdammt den Diener. Schon bei Brecht hieß
es:
"Und weil der Mensch ein Mensch ist,
Drum hat er Stiefel im Gesicht nicht gern!
Er will unter sich keinen Sklaven sehn
Und über sich keinen Herrn."
Die Befreiung des Menschen aus den Hierarchien führte zu einer Verstärkung seiner Individualität. Anette Humpe
sagte kürzlich zum Hintergrund ihres Liedes Dienen in der Berliner Zeitung: „Das Miteinander ist noch wie ein
Warenaustausch.“ Es ist eine Richtung, an deren Ende das Zusammenbrechen der Gemeinschaft steht. Eine Utopie mit umfassender
Bedürfnisbefriedigung muss den Menschen auch etwas zu tun anbieten. Bei Kellner ist es das Dienen als ethische Grundlage,
als Sinn des Lebens quasi. Der Kitt der Gemeinschaft ist ein einheitlicher Konsens, eine Ein-Sicht. Was durch das tragische Ende
des Ausbruchs der Jugendlichen an gesellschaftlicher Veränderung offenbar wird, nämlich eine Weiterentwicklung in der
Menschlichkeit, führt zu einer globalen Auseinandersetzung, zu einer Welt-Erwägung.
Es erstaunt, wie strickt Kellner auf demokratische Regeln pocht. Er setzt der Gängelei die Erkenntnis entgegen, dass sie eine
überbewertung der eigenen Person darstellt, dass Führung immer zu Unterdrückung neigt.
Und hier liegt das DDR-untypische, dass in diesem Buch liegt. Weg von Parolen wie „Die Partei hat immer Recht“, oder „Diktatur des
Proletariats“. In Kellners Welt wird weder unterdrückt, noch gleichgeschaltet. Die Menschen haben sich gleichberechtigt,
weil es ihr Bedürfnis ist, weder höher, noch tiefer, als andere zu stehen.
Die daraus sich entwickelnden Strukturen und Handlungen sind das eigentlich Spannende am Ausbruch. Kellners Menschen sind
zwar immer noch Menschen, aber sie sind tatsächlich anders. Im positiven Sinn weiterentwickelt. Und das wird nicht nur
behauptet, Kellner schafft es auch, sie so sein zu lassen.
Der Ausbruch oder der Fall Gengelstedt ist kein moderner SF-Roman. Aber er ist ein Exot aus der Vergangenheit, der
wesentlich weiter in die Zukunft blickt, als es das übliche heute bietet.
Homers Ilias ist titelbildend und Motto zugleich. Auch Simons bietet uns einen epischen Konflikt, der das Ende eines vor langer
Zeit begonnen Krieges darstellt. Aber nicht nur Troja spielt eine große Rolle, auch Shakespeares Sturm und Prousts
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Damit hängt Simons die Erwartungslatte recht hoch, aber letztendlich ist gutes
Kopieren allein nicht ausreichend. Aber immerhin gelingt es dem Autor einen gewaltigen Roman abzuliefern, des physische Schwere
nur noch von der Ankündigung einer Fortsetzung übertroffen wird.
Simons versteht sein Handwerk. Das Buch hat eine klare Struktur über drei Handlungsebenen, die sich zum Schluss hin
überlagern. Die Kapitel erzeugen durch gelungene Cliffhanger zusätzliche Spannung und lassen trotz einiger schwacher
Stellen im Erdhandlungsteil keine Langweile aufkommen, stilistisch unauffällig, aber raffiniert inszeniert.
In der Figurenentwicklung ist Simons weniger überzeugend. Allein mit den halbrobotischen Moravecs gelingen ihm faszinierende
Charaktere, womit ihr Handlungsstrang auch zum Besten des Buches gehört.
Der dritte Handlungsstrang spielt zur Zeit des trojanischen Krieges unter der Prämisse, dass er wie bei Homer geschildert
abläuft. Dazu gibt es echte griechische Götter und von ihnen aus Zeit und Raum hergezauberte Beobachter, die Scholiker,
die zumeist hervorragende Ilias-Kenner sind. Die Götter hingegen haben auf Zeus Bestreben hin keine Ahnung vom Ausgang der
Geschichte. Der Scholiker Hockenberry gerät über ein Mordkomplott von Aphrodite gegen Athene mitten hinein in die
Auseinandersetzung, die letztendlich zu einer Schlacht Menschen gegen Götter wird.
Die Moravecs haben ähnlichkeiten zu den Maschinen in Robsons Verschmelzung.
Allerdings gefallen sie mir bei Simmons besser.
Es wird wesentlich deutlicher, dass es keine Menschen sind, wenn sie auch eine humane Programmierung erhalten haben.
Natürlich kommen auch sie nicht an Pinocchio vorbei. Das Rätsel des Lebens soll ergründet werden und niemand
verhält sich menschlicher als Mahnmut, der kleine Moravec vom Jupitermond Europa.
Aber Hockenberry ist eigentlich auch kein Mensch. Er ist ein künstlicher Homunkulus. Er kann sich nicht einmal sicher sein,
ob er sich tatsächlich an SEIN Leben erinnert. Vielleicht ist er nur eine der vielen Quantenwellen, eine die besonders
stabil ist. Ein Virus in der Matrix seiner funktionalen Person.
Eigentlich ist er sogar weniger als Mahnmut. Der hat wenigstens eine Geschichte, ein Volk.
Thematisch lassen sich auch Verbindungen zu Michael Marraks Morphogenesis ziehen.
Wir haben Götter, Menschen, Maschinen und wir haben einen Toten, der durch Naniten am Leben gehalten, der zudem noch
kräftig morpht.
Die Übersetzung von Peter Robert wurde 2005 mit dem Kurd Lasswitz Preis ausgezeichnet. Daher will ich mal ganz genau auf eine
Kleinigkeit eingehen, die dem übersetzer bestimmt auch den Kopf zerbrochen hat.
Das Wort qtet. Im Original meist nur QT.
Was mich auf die Frage bringt: Wie spricht man es?
Nun gibt es im Deutschen kein Wort, in dem das Q ohne folgsames u anzutreffen ist, außer in Abkürzungen. Etwa QS – das
man Kuh Ess spricht.
Also könnte man kuhtet lesen.
Aber dann hätte es kein Q im Wort sein müssen.
Bleibt man beim deutschen Q, das in Wörtern ein Kw ist, hat man die Wahl, den fehlenden Vokal zu ersetzen.
Ich habe zunächst immer quotet gelesen. Ergibt einen Sinn, wenn man an eine Art Proportionsänderung denkt.
Quatet ergibt wenig Sinn. Quitet sieht zwar falsch aus, aber im Sinne von Beenden zumindest im IT-Bereich denkbar und hier auch
anwendbar, da eine Anwesenheit beendet wird. Verbindungen mit u, au, eu, ei, ä, ö, ü, usw. sind jedenfalls nicht
überzeugend.
Befriedigend ist das bisher alles nicht. Nähern wir uns dem Wort daher über seinen Sinn. Da der Vorgang als
Quantenteleportation beschrieben wird, könnte qtet als Abkürzung von quantenteleportiert gedacht sein. Wie man auch
qualitätssichert mit qst (kuhesst) abkürzt und dekliniert. Dabei verliert sich auch der Laut und wird zum
Buchstabennamen, also Kw in Kuh.
Der übersetzer könnte aber auch versucht haben, den englischen Laut abzubilden. Also Kju.
Oh! Wenn ich Kju höre, sehe ich sofort John DeLancies Grinsen vor mir und ein fröhliches „Mon Capitain!“ trällern.
Das könnte es sein. Q schnippt sich ja auch hin und her und verschwindet, wie und wohin er will.
Er kjutet! Sollte es so einfach sein? Ein Star Trek Insider-Gag?
Dann ist es sehr schade, dass qtet sowenig nach kjutet aussieht.
Aber ich werde erst einmal bei der erbaulichen Vorstellung bleiben, dass das Q-Kontinuum seine Finger in Ilium im Spiel hat.
Auf jeden Fall ist das Buch eine Empfehlung für alle, die auch beim Lesen ihre Armmuskulatur trainieren wollen und dabei
angemessene Unterhaltung erwarten. Die Fortsetzung werde ich bestimmt nicht verpassen.
Zehn Jahre sind vergangen, seit der Tod Qui-Gon Jinns den Weg freiräumte, aus dem wunderlichen Sklavenjungen Anakin
Skywalker einen Jedi zu machen.
Der sich immer noch in seinen Träumen nach seiner Mutter sehnt.
Doch die Galaxie schläft nicht und so geraten Anakin und sein Meister Obi-Wan Kenobi in gefährliche Abenteuer, die mit
einem Attentat auf Padmé Amidala beginnen, die inzwischen Senatorin der Naboo auf Coruscant geworden ist....
R. A. Salvatore ist den Lesern vielleicht als geistiger Vater des Dunkelelfen Drizzt Do’Urden bekannt, jenem Geschöpf der
Dunkelheit, die sich in den Dienst des Lichts stellt. Vielleicht mag es daran liegen, dass sich Lucas an ihn wandte, aus dem
Drehbuch zu Episode II ein Buch zu machen.
Salvatore stellt sich den großen Problemen des Films. Zum einen bestehen die Höhepunkte des Films, etwa die riesige,
bildgewaltige Schlacht, aus unzähligen Einstelllungen und Schnitten, die nichts zur Handlung beitragen. Zum anderen ist der
entscheidende Ausbruch von Gewalt, der Anakin Skywalkers Weg auf die dunkle Seite der Macht initiiert, im Film wenig akzeptabel
unterfüttert. Hier setzt Salvatore an. Von Anfang an baut er die Motivation Anakins deutlich aus. Shmi Skywalkers Leben mit
Cliegg Lars, ihre Beziehung zu ihrem Ziehsohn Owen und dessen Freundin Beru, ihre Sehnsucht nach dem verlorenen Sohn, schilder
Salvatore in vielen Kapiteln ausführlich und bereitet damit wesentlich mehr vor, als nur Anakins Racheorgie. Wir erfahren
auch eine ganze Menge über das Leben der Feuchtfarmer auf Tatooine und somit auch implizit eine Reihe wichtiger
Hintergrundinformationen über Luke Skywalker. Zwar zelebriert Salvatore hier ein Loblied auf das urtypische amerikanische
Siedlerleben, in der der Mann hart arbeitet und die Frau damit glücklich ist, ihm zu dienen, aber als Bestandteil der Star
Wars Saga wirkt es authentisch. Skywalkers Rache, das Abschlachten eines ganzen Stammes von Tusken-Raiders, mit Frauen und
Kindern, erhält durch Salvatore wesentlich dunklere Züge, hier wird trotz aller Rechtfertigungsversuche durch das
Foltern Shmis, eine Grundsätzlichkeit klargestellt. Anakin Skywalker hat hier ein Verbrechen mit einem wesentlich
größeren gesühnt. Dabei wird ihm seine Tat durchaus bewusst, aber er flüchtet sich in einen anderen Vorwurf,
nämlich nicht zeitig genug bei Shmi gewesen zu sein. Nur daran legt er die Ursache seiner Tat. Nicht in seinem Jähzorn,
seiner Unreife. Wirkt Anakin Handeln im Film noch völlig idiotisch und an den Haaren herbeigezogen, gelingt es Salvatore im
Buch, hier eine Kontinuität im Charakter zu schaffen, wird Skywalker erstaunlich glaubwürdig.
Damit verbunden ist eine weitere Handlungsebene, die im Film ausführlich betrachtet wird: Die Liebe zwischen Padmé und
Anakin. Der Film lebt hier von wunderschöner Landschaft und einer bezaubernden Natalie Portman, denen Salvatore die Macht
seiner Worte entgegensetzen muss.
Er löst das Problem, in dem er besonders Amidalas Konflikt zwischen Dienst an der Republik bzw. den Naboo und ihrem Leben
wählen zu müssen, in den Vordergrund schiebt. Er stellt uns wesentlich mehr aus ihrem Privatleben vor, als der Film
zu bieten hat. Man merkt, wie tief Salvatore auch in den anderen Star Wars Büchern des erweiterten Star Wars Universums zu
hause ist, erinnern die Szenen bei Padmé zu Hause doch stark an ähnliche Familienbegebenheiten der Familie Organa-Solo. Je
mehr wir über Padmé erfahren, umso natürlicher erleben wir diese Liebe zwischen dem Heißsporn Anakin und der
ernsten und verantwortungsvollen Frau, die plötzlich ein ganz anderes Leben kennenlernt.
Und ja, immer noch hält der Beobachter ihre Aufmerksamkeit für verschwendet, ist Padmé einfach zu gut für Anakin
Skywalker. Aber das ist das tragische dieser Geschichte. Der Weg ist vorgezeichnet. Erst diese Liebe bringt die Rettung ins
Rollen. Wir dürfen bei all dem nicht vergessen, dass Skywalker auch ohne Padmé auf die dunkle Seite gezogen worden wäre.
Aber ohne die Kinder ihrer Liebe hätte sich Darth Vader nie aus dem Schatten befreien können.
Fragt Anakin im ersten Teil noch "Bist Du ein Engel?" so kann man das ziemlich deutlich mit ja beantworten. Und wie auch in
Stovers Episode III erhält Amidala im Buch eine wesentlich breitere und bedeutsamere Rolle als im Film. Der Lucas eigene
Aktionismus hat keiner Figur mehr geschadet, als Senatorin Amidala.
Die Action-Teile belässt Salvatore so wie sie im Film sind. Er erzählt sie spannend, aber kontextbezogen in der
passenden Länge. Wer sie in voller optischer Breite sehen will, kann sich ja den Film anschauen.
Blanvalet hat der 5 Euro Sonderausgabe keine weiteren Gimmicks hinzugefügt, das Cover ist gewohnt einfallslos, aber hier kann
man jedem Fan nur empfehlen zuzuschlagen, das Buch ist es wert.
Alles in allem ist Episode II durch die Hand von R. A. Salvatore ein gutes Buch geworden. Es vertieft den Film ein viele
dramaturgischen Löchern, bringt uns die Hauptcharaktere deutlich näher und stellt sich wacker in den Canon des
erweiterten Star Wars Universums. Gut, das Salvatore diesem treu blieb, auch wenn er Chewbaccas Tod erzählt.
Auf dem fernen Wüstenplaneten Tatooine lebt der achtjährige Sklavenjunge Anakin Skywalker mit seiner Mutter. Beide
schuften im Laden eines Schrotthändlers, für den Anakin auch an Pod-Race Rennen teilnimmt - er ist der einzige Mensch,
der dies bisher vermochte. Denn Anakin ist anders.
Nicht weit von Tatooine entfernt, versuchen die Jedi Qui Gon Jin und Obi Wan Kenobi die Blockade des Planeten Naboo durch die
Handelskonförderation zu beenden. Doch sie geraten in eine Falle und müssen sich auf den Planeten zurückziehen,
mitten hinein in die Invasion des friedlichen Planetens durch die Droidenarmee der Handelskonförderation.
Dabei stoßen sie auf Jar Jar Binks, der dem zweiten intelligenten Volk des Planeten angehört, den Gungans. Zusammen
gelingt es ihnen zur Königin der Naboo, Amidala vorzustoßen und mit dieser zu fliehen. Sie wollen vor dem Senat der
Republik gegen die Invasion protestieren und Hilfe beantragen.
Doch sie schaffen es nicht bis nach Coruscant, der Hauptwelt der Republik, sondern müssen auf Tatooine landen um hier die
nötigen Ersatzteile zu beschaffen. Dies scheint nur mit Hilfe des kleinen Anakin Skywalkers und seinen Pilotenkünsten
möglich zu sein.
Doch den Jedi ist ein mächtiger Feind auf der Spur. Ihre alten Feinde, die Sith sind dabei, die Macht zu erlangen...
Episode 1 - The Phantom Menace wurde wie kein anderer Film vorher von den Fans sehnsüchtig erwartet. Terry Brooks
bekam von Georges Lucas das Angebot, das Buch zum Film zu schreiben und schlug sofort zu. Brooks, durch seine Fantasy-Reihe
Shannara, prädestiniert, über vom Schicksal auserwählte Kinder zu schreiben, sollte die Geschichte aus der Sicht
Anakins erzählen. So baute er eigene Szenen ein, veränderte die Dialoge und veränderte die Gewichtung. Allerdings
stand er wohl vor dem nicht unerheblichen Problem, ein schwaches Drehbuch in einen lesbaren Roman umzusetzen. Eine Lösung
fiel ihm nicht ein. Dabei will ich hier nicht auf die ganzen inhaltlichen Schwächen und Fan-Ärgernisse eingehen, da
diese auf das Konto von Lukas gehen und in die Filmrezension gehören. Terry Brooks konnte am Grundkonzept, soweit vorhanden,
nichts ändern.
Lukas Film besteht zum Großteil aus Action. Das Pod-Race Rennen, die Fahrt der Jedi durch die Meere Naboos, die finale
Schlacht zwischen Droiden und Gungans und die Kämpfe mit Darth Maul. All dies sind keine Aufgaben für Brooks. Ihm
gelingt es nicht einmal ansatzweise, eine adäquate Umsetzung der Szenen niederzuschreiben. Alles bleibt blass, schwer
vorstellbar und träge. Besonders den Schwertkämpfen fehlt es an Dramatik. Man merkt, dass Brooks, wie die meisten
Zuschauer, nur schnelle bunte Bilder sahen, ohne wirklich nachhaltig angesprochen worden zu sein.
Zwischen der Action versucht Brooks die Handlung herauszufiltern. Da es dem Film aber daran besonders mangelt, kommt auch Brooks
nicht recht in Fahrt. An vielen Stellen beschränkt er sich darauf, die Filmszenen zu beschreiben. Das funktioniert
natürlich nicht. Der Leser wird immer wieder mit der Nase darauf gestoßen, dass hier eine Sekundeneinstellung
ausgewalzt wird, weil sie auch im Film zu sehen war und deshalb im Buch nicht fehlen darf.
Besonders schlecht ergeht es den Figuren. Wo im Film das Talent der Darsteller wenigstens ab und zu etwas Farbe in die
Pappaufsteller an Figuren brachte, findet Brooks einfach keinen Zugang. Er klebt an den offensichtlichen Eigenschaften,
überbetont sie, ohne ihnen ein psychologische Tiefe zu geben, von handlungsrelevanter Nuancierung ganz zu schweigen.
Lediglich bei der Charakterisierung von Anakin merkt man, dass er schon oft Kinder mit der Last einer riesigen Aufgabe skizzierte.
Dabei legt er sich auf eine Fixierung des Jungen auf Mutter und Padmé fest, die in ihrer Übertreibung abstößt.
Durch die schlechte Figurenführung fehlt es dem Buch an einem Helden, einer wirklichen Hauptfigur. Die ganze Geschichte um
die große Intrige der Sith ist belanglos und uninteressant. Die einzige halbwegs charismatische Figur, stirbt zum Schluss.
Film und Buch bilden in ihrer Einheit den Tiefpunkt der gesamten Serie.
Blanvalet versah diese Sonderausgabe mit Filmfotos im Mittelteil, was bei einem Preis von 5 Euro sehr ungewöhnlich ist und
das Buch stark aufwertet. Das Cover entspricht der gesamten 5 Euro Edition, ist also auch bunt, einfallslos und billig. Für
den schnellen Konsum bestimmt.
Damit treffen sich Form und Inhalt.
Fazit:
Schnell vergessen.
Sturgeon ist wie ein Sog. Mit unwahrscheinlicher Kraft gewinnt das Leben an Glanz, Tiefe und Schärfe.
Was für eine Sprache!
Die ersten ihrer Art ist ein Roman, der aus drei Teilen zusammengesetzt ist, die jedes für sich eine stimmige
Kurzgeschichte abgeben und es wohl auch zunächst waren. Dennoch ergibt sich eine erstaunliche Synthese der Texte, die zwar
immer noch Brüche erkennen lässt, aber einen inneren Halt schafft, der deutlich über die Festigkeit der Einzelteile
hinausgeht. Im Prinzip wird Sturgeon mit dieser Form auch dem Inhalt gerecht. Eine Gestalt, die verschiedene Organe besitzt und
mehr wird. Sturgeons Buch ist mehr als nur ein Buch.
Aber die Faszination liegt im Leseerlebnis, im Staunen über Einfachheit, mit der Sturgeon die richtigen Worte trifft - was
die Neuübersetzung von Birgit Will und Birgit Brumm nicht verwischt und deshalb gebührt ihr auch ein besonderes Lob.
Sturgeons Figuren bilden eine Einheit. Jener Homo Gestalt besteht aus Individuen, die zum Teil alleine nicht überleben
würden. Wenn auch Gerry oder Janie selbstständig wirken, erst das Leben in der Gestalt macht sie zu den
Persönlichkeitsteilen, die die Gestalt so weit voraus in der Evolution eilen lässt.
Sie finden sich. Immer wieder treffen sie aufeinander und Lein, trotz aller Schwernisse, begreift zum Schluss des ersten Teiles,
was Alleinsein ist und bedeutet.
Hier wirken Kontraste durch Gegensätze. Alleinsein in einer Gemeinschaft etwa.
Sturgeon untersucht die Begabungen nicht, er lässt die Begabten einfach leben. Wunderbare Mühelosigkeit,
tatsächlich.
Der erste Teil hat dabei die Aufgabe, das Entstehen der Gestalt aufzuzeigen, bis sie sich durch Lein dieser Tatsache bewusst wird.
Da Lein ein Idiot ist, gelangt auch die Gestalt nicht über den Status einer einfachen Lebensweise hinaus.
Der zweite Teil, Baby ist drei, bringt die Gestalt dazu, sich zu verändern, den Verlust eines wichtigen Teiles, ihres
Kopfes, zu verkraften. Bis der neue Kopf die Reife entwickelt hat, Lein in dieser Funktion zu ersetzen, ist die Gestalt
verletzlich, dem Sterben nah. Mit dem Weglassen der eigentlichen Tatbeschreibung von Gerrys Befreiungsschlag, der die einengenden
Fesseln des Homo Sapiens durch einen Mord zerreißt, gelingt Sturgeon eine ethische Betrachtung, ohne den Leser durch die
Handlung oder einer Figurenbindung, emotional abzulenken. Der Mord steht am Rande des Sichtkreises. Im Zentrum aber steht die
wiedererweckte Gestalt. Für ihre Weiterentwicklung war Leins Tod sogar notwendig. Lein hätte wohl nie die Ethik
begreifen können, die im dritten Teil aus der Gestalt eine gesellschaftliche Lebensform macht, ihr also erst die eigentliche
Lebensfähigkeit gibt.
Das ist die Aufgabe des dritten Teils.
Hip, dem Sturgeon einige autobiografische Züge beigab, wird zum Gewissen der Gestalt. Dass Janie ihn dazu bringt, also
letztendlich die Gestalt selbst Sehnsucht nach einer Ethik entwickelt, vertieft noch den Eindruck, dass Sturgeon hier keine
simple neue Lebensform schaffen wollte. Er gab ihr wesentlich mehr, als nur einen Handlungsrahmen.
Janie widerspiegelt dabei auch eine völlig andere Art der Sexualität. Denn natürlich baut sich zwischen ihr und Hip
eine erotische Stimmung auf, bahnt sich durch die Nähe eine Vertrautheit an, die in Richtung Liebe zu gehen scheint. Aber
Janie unterdrückt die Gefühle Hips. Sie greift aktiv in seinen Körper ein, um seine Erregung zu bremsen, vielleicht
reguliert sie sogar seinen Hormonhaushalt. Als Telekinetin ist ihr das alles möglich. Und doch ist sie eine Frau.
Letztendlich lässt sie sich auf Hip aber erst ein, als er ein Teil der Gestalt wird. Sturgeon lässt es offen, ob Janie
dies von Anfang an geplant hat, ob es ein Produkt ihrer Liebe ist. Hip taucht ja schon im ersten Teil auf, Sturgeon schafft also
schon früh die Handlungsgrundlage für Hips Auftreten im letzten Teil.
Vielleicht ist es aber auch eine Mischung aus beiden, aus Sehnsucht nach einer Ethik und aus Liebe. Und eigentlich kann man
beides auch gar nicht trennen. Es macht die Gestalt auf jeden Fall zu einem Wesen, dass kein inhumanes Monster ist.
Daneben bedient sich Sturgeon verschiedener Themen, die zu seiner Zeit sehr aktuell gewesen sind.
Die Psychoanalyse hat auf die Amerikaner eine große Wirkung gehabt - bis heute.
Die geistige Kraft, in jeglicher Form und natürlich auch der Besuch beim Psychiater.
Die Sitzung bei Stern ist gerade deshalb sehr interessant, zumal sie auch als fein beobachtete Szene überzeugt. Man hat das
Gefühl, dass Patient und Arzt tatsächlich aufeinander reagieren, dass es nicht konstruiert ist, sondern die Figuren
eine echte Psyche haben.
Etwa wenn dem Arzt nachgesagt wird, einer jener Menschen zu sein, die nach innen lachen. Das bringt wesentlich mehr zum Ausdruck,
als zum Beispiel das typische "Lachen mit den Augen", von dem meist die Sprache ist. Sturgeon ist ein Meister der kleinen Gesten
mit großer Bedeutung.
Ein weiteres Thema ist die Beschäftigung mit Psi-Kräften. Das stand hoch im Kurs. Immerhin gelten die Bücher von
Charles Ford über unerklärliche Phänomene als die Quelle der amerikanischen SF. Sturgeon zeigt für Telepathie,
Telekinese und erhöhte Intelligenz einige interessante Möglichkeiten zur Verwendung auf. Etwa zum Lernen oder auch zur
Darmentleerung oder wie oben bereits erwähnt, zur Verhinderung erregter Zustände.
Ein wesentliches Motiv ist auch der Antischwerkraftgenerator, den die Gestalt baut. Diese mächtige Erfindung offenbart Macht
auf vielfältige Art. Während Lein eine einfache, praktische Nutzung im Sinn hat, erkennt die verbesserte Gestalt durch
Gerry, das gefährliche Potential, all die Möglichkeiten, mit ihnen Gewalt auszuüben und damit Macht zu besitzen.
Und dieser Generator ist der Anstoß für die finale Genese der Gestalt. Sie stört nicht nur den Erdmagnetismus,
sie reißt auch Hip aus seinem festgetretenen Leben, bringt ihn heraus aus dem Graben seiner Selbstsucht, so wie sie schon
den Laster aus den Furchen des Ackers zog.
Die ersten ihrer Art ist ein komplexer und vor allem wunderschöner Roman. Ein Genuss und ein beeindruckender SF-Roman.
Zeitlos.
Ein leicht schizophrener Ägyptologe gerät in eine geheimnisvolle Stadt, die sämtliche Vorstellungen der
Hölle aller Zeitalter aufzuweisen hat. Doch er ist hier nur zu Besuch. Seine Gastgeberin will ein Kind von ihm. Aber ihm
gelingt die Flucht aus der Sexfalle und schlägt sich durch die Bezirke der Höllenstadt, von ihren Wächtern verfolgt
und immer näher an das Geheimnis der Hölle herankommend.
Das ist eine Kurzfassung der ersten drei Teile der Morphogenesis.
Spannungsvoll und temporeich beginnt Krispins Reise. Vom poetischen Stil des Anfangs war ich sehr beeindruckt, obwohl das Werk bis
dahin ein reines Abenteuerbuch zu sein schien.
Der Flug im fast leeren Flugzeug erinnerte an Robert Merles Madrapour. Das gruselte dann schon etwas...
Aber je weiter man liest, umso gemächlicher wird es.
Zwar ist die Höllenreise nie wirklich langweilig, aber auch nicht mitreißend. Weder Ka noch Krispin taugen als
Identifikationsfiguren, so dass man immer leicht konsterniert neben der Handlung steht und sich nach den Intentionen der Figuren
fragt.
Zwar habe ich Dantes Inferno gelesen, aber im Gegensatz zu Marrak liefert Dante beständig böse Seitenhiebe auf seine
Gegenwart. Krispins Reise ist in erster Linie schmerzvoll und sinnlos. Im Nachhinein verstehe man überhaupt nicht, warum er
von Meret erfolgreich und auf lange Sicht fliehen konnte, weist die Sphäre doch genügend effektive Monster zur
Rückbeschaffung auf. Kreutzbeißers Kreuzzug erklärt sich dadurch in keinster Weise.
Damit wird auch das Hauptproblem deutlich: Der Mittelteil ist eindeutig zu lang.
Es steht einem Wälzer nicht gut, wenn erst nach zwei Dritteln Sinn in die Handlung kommt. Zumal mir der archäologische
Findungsaspekt und damit recht menschliche Blickwinkel auf die Erbauer nicht behagt. Zu viele Zwischenerklärungen in der
Mitte des Buches überfrachten es. Ständig werden historisierende Ideen eingeworfen und mit Begriffen und Namen hantiert,
die man sich schwer merken kann. Wenn mir jemand mit historischen Quellen kommt und daraus Theorien ableitet, mag ich gerne
wissen, ob es die Quellen gibt, oder ob bereits diese erfunden sind, also inwieweit die echten historischen Reminiszenzen gehen
und wo die Fiktion anfängt. Marrak verweist auf Texte und Mythen der verschiedensten alten Völker. Krispin bekommt ja zu
jeder Andeutung sofort auf die Reihe, wo sie herkommen und was sie bedeuten. Das erweckt in mir ein Gefühl der
Unwahrscheinlichkeit und lässt mich daran zweifeln, ob es diese Texte und Mythen auch wirklich gibt.
Das ist mir persönlich zu schwammig.
Die verschiedenen Höllentheorien vermischen sich zu einer Melange, die schnell von bunt zu weiß wechselt, weil sie sich
gegenseitig überlagern und man nix mehr zusammenbekommt.
Mich wurmt dann immer, dass ich nicht weiß, ob dass nun echte Legenden sind, oder Erfindungen des Autors.
Davon unabhängig enthält der Roman sehr viele skurrile Einfälle und Szenen, die Spaß beim Lesen machen und
unverbraucht daherkommen.
Die große Hintergrundgeschichte eines missglückten Alienexperimentes, die schwache Menschheit fitter zu machen, ist
toll.
Aber es bleiben Fragen.
Wie können Samen aus Naniten zur Befruchtung reichen, bzw. nötig sein?
Müsste nicht jeder Krispin-Nanit über alle Informationen hierfür verfügen?
Wie könnte es zu einem neuen Lebewesen kommen?
Was will Meret damit überhaupt?
Ist Thot seinem Ziel irgendwie näher gekommen?
Wie konnte er als Byron an seinen Wachen vorbei?
Wie gelangt man in die Sphäre und wieder heraus?
Warum und wie wurde das Ka von Krispin getrennt?
Warum wird das Ka von Isis gefoltert?
Das sind aber nur die bohrendsten Fragen.
Die Stilistik ist auch einer der Gründe, warum man mit dem Roman nicht warm wird. Ab und zu werden unsinnige Vergleiche
gezogen, die in ihrer Flapsigkeit weder zur Figur noch zum Hintergrund passen. Marrak gelingt es nicht, abwechslungsreich zu
schreiben, bestimmte Beschreibungen, etwa von Schlangenhaftigkeit und Myriaden irgendwelcher Dinge, gebraucht er
inflationär.
Das Buch ist eine bearbeitete Neuausgabe von Marraks Die Stadt der Klage aus dem Jahre 1997. Leider wurden bei der
Postproduktion einige Fehler in den Satz hineingearbeitet, so dass die Kapitelüberschriften von einem Nekropalladium in
schöner Schrift in ein Mekropalladium in entsprechend langweiligerem Font morphen. Michael Marrak weist auf seiner
Webseite
ausführlich auf die Fehler hin. Ich hatte das Glück, im
SF-Netzwerlesezirkel ein
Freiexemplar mit Autogramm und Stempel von Michael Marrak zu bekommen, dies und die Druckfehler in der Erstauflagemachen das
Buch trotz aller Kritik zu einem bibliophilen Kleinod.
Morphogenesis ist ein in seiner Nachhaltigkeit lesenswerter Roman, aber weder rund, nach ausreichend verdichtet genug, um
gut zu sein. Das Titelbild aber ist erste Klasse!
Thursday Next ist schwanger. Morgendliche Übelkeit ist somit garantiert und natürlich dürfen auch ihre anderen
Probleme nicht fehlen. So etwa die Nichtung ihres Ehemannes und Vater des Kindes, Landen, der durch das Herausnehmen seines Lebens
aus dem Zeitablauf durch die Chronogarde plötzlich gar nicht mehr existiert. Zudem hat es sich ihre alte Feindin Aornis zur
Aufgabe gemacht, Thursday für den Tod Archerons grausam bezahlen zu lassen.
Da Thursday zunächst einmal keine Ahnung hat, wie sie Ihren Liebsten zurückholen kann, zieht sie sich in einen
unveröffentlichten und ultraschlechten Krimi im Brunnen der Manuskripte zurück, wo sie im Rahmen des
Figurenaustauschprogrammes eine dezente Rolle übernimmt. Hier will sie in Ruhe ihr Kind zur Welt bringen und ihre Prüfung
zur Agentin von Jurisfiktion bestehen.
Doch im Dienst dieser Buchpolizei erlebt sie schon bald diverse Merkwürdigkeiten. Denn es stehen nicht nur die
berühmtesten Preisverleihungen in der fiktionalen Welt bevor, die Bookies, nein dort soll auch der Startschuss für das
neue Betriebssystem Ultraword gegeben werden.
Doch plötzlich gibt es Tote und Thursday ist sich ihres Lebens nicht mehr sicher...
Mit seinem dritten Streich um Thursday Next erweitert Fforde seine phantasievolle Buchwelt um jede Menge witziger Details. Das
führt allerdings dazu, dass Neuleser kaum eine Chance haben, in das Buch einzusteigen. Selbst Kenner der Serie werden zu
Beginn auf eine harte Probe gestellt, da Figuren und Schauplätze, besonders die in und aus literarischen Vorlagen, im
Dauerfeuer auf den Leser niederprasseln. Fforde beweist damit zwar einmal mehr, wie reichhaltig die gute Literatur ist und welche
Vorlieben er hier entwickelt hat, aber die Übersichtlichkeit seines Werkes hat stark nachgelassen.
ü
Das ändert aber nichts am Vergnügen, Szenen und Charaktere berühmter Publikationen zu entdecken, sogar die Cantina
aus A new hope hat es in den Brunnen der Manuskripte geschafft. Running Gags, wie etwa das Warten auf Godot und der lüsterne
Falstaff, bilden die Würze in der herzhaften Suppe, die Fforde uns hier kredenzt. Wie gewohnt finden sich am Ende alle, nun ja
fast alle, losen Enden zusammen. Die Auflösung mag zwar etwas voyagermäßig dünn ausfallen, aber ein Happyend
schadet selten. Es bleibt ja genug Stoff für das nächste Buch übrig, von dem wir ja schon wissen, das Humpty Dumpty
stirbt. Sie wissen doch, das mit der Mauer...
dtv gönnt uns zwar wieder nur eine Miniansicht des Originalcovers auf der Rückseite des Buches, dafür aber sind
englische Originalanzeigen aus den ffordeschen Universum ins Buch gerutscht, was den Spass ungemein erhöht.
Im Brunnen der Manuskripte ist eine lockere Fortsetzung der Thursday Next Reihe mit freundlichem Humor und bildet somit eine
angenehme und entspannende Lektüre für den Bildungsbürger.
Das Spiel Azad berichtet von einem Spieler der auszieht, das Spiel seines Lebens zu spielen. Denn Azad ist das
Zivilisationsspiel eines Imperiums. Jeder Posten, bis hin zum Imperator wird über Sieg und Niederlage im Spiel bestimmt.
Die anarchistisch-kommunistische Kultur als Widerpart, ist nicht nur Heimat des Spielers Gurgeh, sie stellt auch seine ganz
persönliche Spielbasis dar.
Denn trotz allem Barbarentum ist Gurgeh vom Spiel Azad fasziniert.
Der Beginn erweckt zunächst den Eindruck einer modernen Faustgeschichte. Gelangweiltes Genie wird versucht und macht sich
durch einen Pakt gebunden auf eine Reise.
Banks beschreibt sehr faszinierende Roboterpersönlichkeiten, die Fische füttern und subtile Späße lieben und
eine Hauptfigur am Rande des Unbegreifbaren, ein Setting, das noch etwas im Dunklen bleibt, aber in seiner Totalen als
kommunistisches Paradies erscheint. Dennoch ist es nicht viel, was der Leser über die Kultur erfährt.
Der Faust-Vergleich fiel mir ein, als der Roboter Mawhrin-Skel am Ende der Szene, in der er Gurgeh zum Pakt zwingt, seine eigene
Situation so beschreibt:
"Ich nenne es Folter. Es ist obszön, Gurgeh, es ist barbarisch, diabolisch. Kennen Sie dieses alte Wort?"
Diese besondere Betonung ließ mich an Mephisto denken. Vielleicht ist es im Original auch gar nicht so gemeint. Aber manchmal
bilden sich im Kopf eben solche Verbindungen.
Banks versucht durch einen zusätzlichen Erzähler eine Reflexion seiner Hauptfigur beim Leser durchzusetzen, was den
Eindruck einer begleiteten Reise noch verstärkt. Das sich der Erzähler als echte Begleitperson erweist, fügt dem
leider nichts hinzu, riecht eher nach verschenktem Potential.
Mir gefällt die Charakterisierung von Gurgeh. Er ist eine Figur mit Ecken und Kanten, gleichzeitig stellt sich mir durch sein
Handeln die Frage, wie eine Persönlichkeit aussehen muss, die unter der Kultur aufgewachsen und sozialisiert ist.
Das betrifft die Eigenverantwortung für Drogen und einem damit verbundenen hohen Grad an Selbstkontrolle. Das betrifft aber
auch ein sehr festes Insichruhen, ohne die entsprechende Überheblichkeit. Ich glaube Banks hat sich da selbst sehr viele
Gedanken gemacht. So ist das erste Zusammentreffen mit dem Kaiser dadurch erstaunlich, dass sich die allgemeine Aufregung nicht
auf Gurgeh überträgt, etwas dass ich eigentlich zu lesen erwartete. Dadurch wirkt Gurgeh ungeheuer souverän. ist
nicht Naivität, sondern echte Persönlichkeit.
Banks versteht es Figuren zu erwecken.
Das Spiel Azad selbst aber kann ich mir nicht vorstellen. Zu ungenau werden Spielbretter und Figuren beschrieben. Meist liegt der
Fokus auf den Zuständen der Spieler.
Der gewöhnliche Kulturmensch scheint Langeweile deshalb nicht zu kennen, weil sie nicht in zum Repertoire der Kultur
gehört.
Die Freiheit ist in der Kultur irgendwie absolut. Alles kann getan werden und alle tun das Notwendige, weil sie es wollen
So stellte sich ja schon Wells in "Menschen, Göttern gleich", die utopische Gesellschaft vor.
Die Kultur verfügt in Summe offenbar stets über genug Interessierte an allen Bereichen, um zu funktionieren. Die
Grundbedürfnisse werden eh durch Automaten befriedigt.
Die Kultur ist also nicht sozialistisch, sondern eher kommunistisch im ökonomischen und anarchistisch im gesellschaftlichen
Sinne.
Ein sich selbst regulierendes System.
Auffällig war beim Lesen die Verwendung Roboter für die Maschinenwesen der Kultur. Im Original sind die Roboter aber
drones, also ein ebenso fehlklingender Name.
Die Darstellung von Land und Leute verliert sich in wenigen grellen Szenen und ist insgesamt sehr unbefriedigend.
Das Buch hatte keine Längen, hinterlässt aber das Gefühl, nur aus der Idee einer Gesellschaft zu bestehen, die sich
an einem Spiel ausgerichtet hat.
Vom Niveau her ist das "Setting" aber nicht feiner ziseliert worden, als der klassische PR-Alienvorstellungsband.
Kultur gegen Imperium. Anyone gegen absolutistischen Herrscher. Nett auf die Spitze getrieben, aber in seiner
Unglaubwürdigkeit für mich öde und billig.
Banks Kultur gebärdet sich plötzlich imperialistischer als das Imperium, vom anfänglichen Ethik Highlight bleibt
nichts übrig. Irgendwelche Masterminds greifen in den Zoo und lassen einen ihrer Lieblinge Krieg führen.
Eigentlich fand gar nicht ein Spiel um das Fortbestehen des Imperiums statt, das war nur das Sarajevo-Attentat. Die Invasion hatte
schon längst begonnen. Vielleicht sogar am ersten Tag des Kontakts.
Das ist aber nur meine moralische Wertung des Inhalts. Das mir derartige Gedanken kommen, steht auf der Guthaben-Seite des
Buches.
Dem gegenüber befinden sich die bereits erwähnte Plattheit des Hintergrundes, der misslungene Spagat in der Darstellung
Gurgehs, zwischen Opfer der Manipulation und genialem Spieler und natürlich das zwar hochdramatische, in sich gelungene
Finale, das aber auf der glatten Fläche des Gesamtwerkes nur eine schnellplatzende Sumpfgasblase ist.
Gurgeh wurde als der große Spieler dargestellt, er hätte das Spiel der Kultur durchschauen müssen. Hat er nicht.
Mastermind hat sein Programm abgespult, alle Subroutinen lieferten die erwarteten Rückgabecodes; Gurgeh kehrt zurück
in seine scheinheile Welt, ein Betrüger, Psychopath und Schoßhündchen.
Banks liefert den Eindruck einer großartigen Kultur, die aber in Wirklichkeit nur eine hässliche Maschinendiktatur ist.
Schade ist, dass er das gar nicht schreiben wollte. Wie cool wäre es gewesen, wenn er die destruktive Dekadenz der Kultur
zum Thema gemacht hätte.
Aber keiner, weder Gurgeh, noch Flere, diskutieren das Thema, also ihr Benutztwerden, aus. Fatalistisch treiben sie weiter auf dem
brackigen Wasser ihrer Leben dahin.
Mein erstes Kulturbuch wird wohl erstmal mein einziges bleiben. Es war zwar nicht schlecht aber auch nicht herausragend, gut
geschrieben, aber ohne sprachliche Meisterschaft, mit viel Zeit für Details und Nuancen. Es lässt sich ein durchdachtes
Konzept erkennen.
Die Werkausgabe der Steinmüllers beim Shayol Verlag glänzt auch in seinem dritten Band mit Neubearbeitungen der
Autoren und beinhaltet eine so noch nicht erschienene Zusammenstellung von Miniaturen, Kurzgeschichten und Erzählungen, die
thematisch an Andymon anschließen, ohne jedoch den direkten Handlungsbogen wieder aufzunehmen. Zwar erreicht auch hier ein
eine Arche der Erde einen fernen Planeten und beginnen die Inkubatoren eine Besatzung zu gebären, die sich eine neue
lebensfreundliche Welt aufbauen, doch steht das Terraforming nicht im Mittelpunkt.
Die Steinmüllers haben im Rahmen ihrer "Future History" bereits seit langer Zeit Episoden einer Zeit nach der Inbesitznahme
einer Welt beschrieben. Die größte zusammenhängende davon, ist wohl der Roman Traummeister, der als Band 4
der Werkausgabe erscheinen wird.
Spera hat viele Höhepunkte, da die einzelnen Teile sehr unterschiedlich sind. Etwa die mit dem Kurd-Lasswitz-Preis
1993 ausgezeichnete Kurzgeschichte Der Kerzenmacher, Vierundzwanzig Schritte oder Der Thrak und der Telegraph.
Allen gemein ist eine feine Sprache, fast nostalgisch vielseitig.
Dabei bilden die Texte zwar ein loses Abbild einer planetaren Geschichte von über 800 Jahren, aber durch die Wechsel zwischen
zentralen Figuren und einfachen Leuten, entsteht eine große Tiefe. Die Gesellschaft und ihre Entwicklung sind plastisch,
keine Abziehbilder. Natürlich bedienen sich die Steinmüllers dabei bekannter Mythen oder vergleichbarer irdischer
Entwicklungen. Aber es passt alles auf die spezielle Gegebenheit Speras.
Durch die Existenz der Drachen, einer fremdartigen aber intelligenten Lebensform, die von den in die Steinzeit
zurückgefallenen Menschen als fürchterliche Feinde angesehen werden, erhält das Geschehen zudem noch eine eigene
Dynamik. Der Drachenkampf bestimmt einige der wesentlichsten gesellschaftlichen Entwicklungen, wird sogar zum Herrschaftssymbol.
Damit beweisen die Steinmüllers nicht nur ihr Geschick im Umgang mit Kristalisationspunkten, sie fügen ihrer Historie
auch noch ein ethisches Problem hinzu.
So kommt es gerade in der Auseinandersetzung mit den Alten immer wieder zu Fragen nach der Verantwortung gegenüber den
Menschen auf der einen Seite und den Drachen auf der anderen – beide aber sind Produkte der Besiedlung. Dabei spielen
menschliche Gefühle eine große Rolle. Die Steinmüller zeigen, dass große historische Ereignisse, ganz kleine
und völlig normale Ursachen haben können. Der Junge, der aus Liebe auszieht Drachen zu töten, der Vater, der seinen
Sohn zu rächen, ein Atomkraftwerk zerstört. So wurzeln die Ereignisse Speras tief in den Menschen und ihren Leben.
Die Episoden sind in vier Zeitalter aufgeteilt und werden ergänzt durch einen Anhang, der mit einer Chronologie Speras, einer
Karte und der Publikationsgeschichte das Werk abrundet.
Ein Autor, der als unbekannt und dennoch als der große Meister der Kurzgeschichte gilt, erweckt zunächst
Erstaunen.
So berühmte SF-Gurus wie Samuel R. Delany, Asimov oder Clarke verehren ihn als den Unerreichbaren, ja als den
größten SF-Autoren aller Zeiten.
Dennoch ist er in Deutschland quasi unbekannt, warum?
Sicher sind Kurzgeschichten, Kurzromane und ähnliches in Deutschland eher wenig nachgefragt und darum auch nur selten in den
Verlagsprogrammen zu finden.
Gerade die klassische SF hat das große Problem eine kleinen Fan-Kreis zu besitzen, die meist über eine stattliche
Auswahl von Klassikern verfügt und daher nur selten zu Neuausgaben greift.
Interessierte Neuleser haben genug damit zu tun, die etablierten Klassiker zu entdecken, etwa Dick, Asimov oder Lem.
Dabei ist die Vielfalt außergewöhnlicher Werke in der SF so groß, dass es nicht verwundert, wenn dabei etliche
Ihrer bedeutendsten Vertreter in den Schatten der Aufmerksamkeit geraten.
Aber Theodore Sturgeon gehört eindeutig ins Licht!
Der Shayol-Verlag hat das ambitionierte Vorhaben gewagt, eine Werkausgabe von Theodore Sturgeon in Deutschland zu
veröffentlichen, die verlegerisch der hohen Qualität des Materials gerecht zu werden versucht und der Herausgeber
Hannes Riffel stellt sich dieser Herausforderung mit Können und Mut.
Das bedeutet nicht nur das hohe Risiko auf den Lizenzgebühren sitzen zu bleiben, nein, der Verein, von dem der Verlag
betrieben wird und dessen Mitglied der Herausgeber ist, setzt bei der Umsetzung einen Maßstab an, der an Perfektion
grenzt.
So wurden allen Texte neu übersetzt, teils über ein Uni-Projekt, teils über einen Stab erfahrener übersetzer.
Jedem Text ist ein mustergültiger Quellnachweis angehängt, der die Sorgfalt und Liebe kennzeichnet, mit der das Buch
herausgebracht wurde. Titelbild und Gestaltung setzen auf moderne Eleganz, was nicht nur dem gesamten Buch gerecht wird, es
betont auch, wie zeitlos Sturgeon ist.
Der Shayol Verlag legt großen Wert auf sekundärwissenschaftliche Arbeit.
Darum enthält der Band auch eine Einleitung von Samuel R. Delaney über Theodore Sturgeon, die nicht nur den Geist
für Sturgeons Kunst öffnet, sondern auch Einblicke in eine Zeit und eine Literaturlandschaft bietet, die so unendlich
weit entfernt ist, wie es die Vierziger und Fünfziger Jahre des 20. Jahrhunderts nun einmal sind. Dieses Essay voran zu
stellen, erweist sich als wichtig und gut gewählt.
Die Texte aber sprechen für sich selbst.
In Donner und Rosen ist die USA durch Atombomben verstrahlt. In einer fernen Armeeeinheit kommt der Zerfall langsam zum
Ausbruch, manifestiert sich am Schicksal der Sängerin Starr Anthim. Doch ihr Lied ist weit mehr als Unterhaltung.
Durch Delaneys Einleitung sensibilisiert, liest man die Kurzgeschichte bereits wachsam, spürt den Feinheiten des
Erzählstils nach. So skeptisch man dabei auch vorgeht, Sturgeons Intensität ist so gewaltig, dass sie den Leser in
hellstes Tageslicht zu stellen scheint, das Details und Stimmungen so präzise ausleuchtet, dass man meint das Leben selbst
in den Seiten gefunden zu haben. Bereits nach wenigen Absätzen beherrscht die Faszination das Lesen. Luftholend betrachtet
man das Buch mit neuerlichem Unglauben. Diese Begegnung mit Sturgeon ist unvergleichlich, ein unverhoffter Schatz, dessen
Größe und Umfang sich nach der ersten Geschichte nur vage erahnen lässt. Aber man spürt, dieser Autor kann
mehr, als nur erzählen.
So beginnt man Killdozer bereits mit leichter Euphorie zu lesen. Ein Bauarbeitertrupp wird auf eine einsame Insel
verfrachtet, um mit hochmodernen Baufahrzeugen eine Landebahn zu bauen. Dabei stoßen sie auf eine uralte Waffe, die sich
im neuesten der Bulldozer manifestiert und schon bald wieder ihrer ursprünglichen Aufgabe nachgeht: Töten.
Wem der Plot bekannt vorkommt, vielleicht sogar an Steven King denkt, mag es vielleicht nicht glauben, aber das hier ist das
Original.
Und damit schrumpft bereits alles andere in die Bedeutungslosigkeit zurück.
Der Kampf der Maschine gegen eine Schar Männer bringt in wenigen Szenen eine Menge an sozialen Konflikten zu tage, die
Sturgeons genaue Beobachtungsgabe zeigt und zudem noch eine Wahrhaftigkeit ausstrahlt, die in keinem Augenblick Zweifel an der
Echtheit der Figuren aufkommen lassen. Selten kommen Nuancen in der Persönlichkeit deutlicher zum Vorschein, als hier in der
Darstellung der Bauarbeiter. Jeder von ihnen bewegt sich innerhalb eines dichten Figurenhintergrundes ohne dabei seine Bedeutung
in der Geschichte zu verlieren, oder etwa als Typ eines hart arbeitenden Mannes unglaubwürdig zu werden.
Genauso präzise erfolgen Sturgeons Blick auf die Maschinen. Bauteile und Funktionen gewinnen vor dem Auge des Lesers eine
Schärfe, die es mühelos schafft, den trennenden Abgrund der Jahre zu überbrücken. Jenseits von Computern und
jeglicher Hochtechnologie, aber auch weit ab vom antiquierten Relaisklicken, ist Sturgeon direkt in das Wesen der Maschine
eingetaucht. Dabei bleibt er erstaunlicherweise als Autor stets außen vor, einzig durch seine brillante Wortwahl und einer
unglaublich mühelos erscheinenden Feinabstimmung zwischen Beschreibung und Handlung, gelingt es ihm, diese Nähe zu
erzeugen. Killdozer überrascht durch das Fehlen von Pathos oder psychologischer Tricks. Sturgeon erzeugt nicht
Horror, lenkt somit auch nicht ab von dem, was er zu erzählen hat.
Insofern verwundert auch seine Handhabung eines Themas, dass selbst heute noch polarisiert. In Langsames Wachstum geht es
primär um die Frage nach Verschluss unprofitabler wissenschaftlicher Entdeckungen. Also um die Ethik des Wissenschaftlers,
der Millionen Leidenden helfen könnte, aber nicht darf. Mit der Konsequenz, dass er sich die Frage stellen muss, ob er nicht
eher zu schwach ist, es zu können. Wie weit bringt die Verweigerung des Systems durch Isolation tatsächlich eine
Gewissensbefriedigung, oder ist eine gelegentliche Heilung und die damit verbundene unaufdringliche Enttarnung der Heilmethode,
nicht eine wirksamere Revolte, als es die Verweigerung sein kann?
Denn Sturgeon verbindet diese Fragen, die ja eher rhetorisch für den Wissenschaftler sind, mit einer persönlichen
Geschichte. Eine Frau geht zu einem bekannten Wunderheiler. Zwischen der Angst vor der Krankheit und der emotionalen Bindung
zwischen Mann und Frau balanciert Sturgeon mit leichter Hand und einer Art vorsichtiger Zärtlichkeit. Die Erzählung ist
trotz der großen Themen, ruhig, zeitnehmend. Sturgeon widmet sich dem Thema ohne Wertungen abzugeben, ohne eine Tendenz
vorzuschlagen. Seine Kraft liegt wie in den anderen Texten, in einer wunderschönen Farbigkeit der Beschreibungen. Düfte,
Farben, Töne - mit Sturgeon wird das Buch zu einer Tür ins Leben.
Das [Fringding], das [Frangding] und Boff ist ein Kurzroman. Den Herausgebern ist zu danken, dass sie mit der Wahl einer
kleineren Schrift eine Veröffentlichung ermöglichten.
Im eigentlichen Sinne eine klassische SF-Geschichte, in der Aliens zu Forschungszwecken auf der Erde weilen und die Menschen einer
Pension einer intensiven Prüfung auf der Suche nach der „Synapse Beta sub Sechzehn“ unterziehen. Doch Sturgeon gibt sich
nicht nur in der Form unklassisch, indem er den Leser vor die Herausforderung stellt, die Forschungsberichte der Aliens in einer
lückenhaften übersetzung lesen zu müssen, nein Sturgeon verschiebt das Gewicht wieder einmal auf eine präzise
Belebung der Figuren. Nach einer bereits sehr anschaulichen Charakterisierung der Pensionsbewohner zu Beginn, und hier zaubert
Sturgeon in wenigen Absätzen lebendigere Personen, als es die meisten Autoren in einem kompletten Roman vermögen, baut
er die Menschen sorgfältig zu den Größen auf, die er in die Gleichung seiner Handlung dann spielerisch einsetzt.
Die Figuren leben ein einfaches Leben, das immer komplexer wird, oder eher durch die nähere Betrachtung an Komplexität
gewinnt. Erst durch den Sturgeon-Blick wird das Alltägliche außergewöhnlich und bedeutsam. Damit geht der Leser
denselben Erkenntnisweg wie die Aliens, ja eigentlich macht uns Sturgeon zu den eigentlichen Aliens. Wir blicken auf das
Alltagsleben, das auch unser sein könnte, und lernen darin Wunder zu erblicken und vor allem Möglichkeiten zu entdecken.
So sind wir Prüfer und Prüflinge zugleich.
Vor allem aber dringt man in das Leben anderer Menschen ein, voller Freude und Erwartung, nimmt Anteil und entwickelt sich mit.
Sturgeon schafft es mühelos, die Distanz zwischen seiner Geschichte und dem Leser wegzuwischen. Spätestens an dieser
Stelle der Lektüre wird klar, dass man eines der besten Bücher in den Fingern hat. Vielleicht sogar das Beste.
Nicht ohne Absicht steht wohl Ein lichter Augenblick, die titelprägende Erzählung am Schluss der Auswahl, die
wahrlich voller lichter Augenblicke ist.
Ein Mann schleppt eine blutende Frau in seine Wohnung. Recht schnell wird klar, dass der Mann einen sehr geringen Intellekt hat,
dennoch vermag er die Frau zu heilen. über mehrere Wochen hinweg sorgt er sich um die Frau, stellt sie doch etwas völlig
Neues in seinem Leben dar: Ein Mensch, für den er da sein kann, dem er etwas zu geben hat, das dieser auch braucht.
Sturgeon geht mit seiner Figur feinfühlig und doch wieder rein betrachtend um. So wirklich und dinglich lässt er uns
die Versorgung der Wunden beobachten, so nah sind wir am Blut, seinem Tropfen und Fließen und Trocknen und Nässen,
dass einem fast schlecht wird davon.
Die Probleme des eingeengten Geistes, die Qualen im Empfinden des Mannes, der seine Umwelt in anderen Wertigkeiten begreift, der
so völlig andersartig denkt, fließen mit einer stillen Deutlichkeit in die Handlung ein. Dabei ergibt sich gerade aus
dem völligen Fehlen von Vorurteilen oder Wertungen ein Verständnis für beide Personen, die mehr zum Nachdenken
anregen, als dass sie Mitleid erheischen. Dieser lichte Augenblick, in dem ein Mensch etwas in sich erkennt, dass bisher nutzlos
in ihm ruhte, das berühmte übersichhinauswachsen, ist das Thema, das durch alle Texte des Bandes hindurch und auf sehr
unterschiedliche, aber stets meisterliche Weise bearbeitet wird.
Sturgeon hat über 150 Werke verfasst. und nur fünf von ihnen liegen hier vor. Zwar ist Band 2 der Werkausgabe bereits
im Druck, doch leider hat dieses wunderbare erste Buch, in einer sehr kleinen Auflage von nur 500 Exemplaren 2003 erschienen,
kaum Käufer gefunden. Nur 500 Bücher wurden gedruckt und fast zwei Jahre später ist die Auflage immer noch nicht
verkauft. All die Mühen der gründlichen Neuübersetzungen, die liebevolle Gestaltung von Text und Buch, das penible
Korrektorat, die Arbeit der Lektoren wird nicht gewürdigt. Und das ist schade, denn irgendwann ist auch für den
altruistischsten Verein solch eine kostspielige Pflege ausgezeichneter Literatur unhaltbar.
Wer aber erst einmal in die Kunst des Theodore Sturgeon eingetaucht ist, und sei es auch nur in eine einzige Kurzgeschichte, der
will sich dieses durchdringende Empfinden der Lebendigkeit nicht mehr nehmen lassen, die daraus sprüht und strahlt.
Eine prähistorische Frühmenschenfrau und ihr Kind stoßen auf eine geheimnisvolle Kugel, die reglos über
der Steppe schwebt und plötzlich befinden sich die beiden im britisch besetzten Indien des 19. Jahrhunderts.
Ein UNO-Hubschreiber des Jahres 2037 wird von einem afghanischen Jungen abgeschossen, kurze Zeit später landet das Wrack
ebenfalls in der Nähe des britischen Forts, nur dass es den drei Insassen etwas besser ergeht und sie nicht gleich in einem
Käfig landen. Die Besatzung, darunter die britische Soldatin Bisea, kann sich sogar mit dem Kommandanten der Garnison recht
schnell verständigen, zu offensichtlich sind auch hier die Veränderungen.
Ebenfalls gestrandet sind die Insassen einer Sojus-Kapsel, die von der Diskontinuität im Orbit überrascht wurde und auf
eine plötzlich fast menschenleere Erde schauen. Notgedrungen landen sie in der mongolischen Steppe und treffen schon bald auf
andere Überlebende der wundersamen Umgestaltung.
Kommunikationsabbrüche, der Verlust mehrerer Stunden, durch den sichtbaren "Sprung" der Sonne am Himmel erkennbar, die
modernen oder eben historischen Waffen und Gerätschaften - all dies lässt nur einen Rückschluss zu: Es gab eine
Zeitreise.
Doch das Phänomen ist weitaus komplexer. Die gesamte Erde wurde aus Gebieten verschiedener Epochen der Menschheitsgeschichte
neu zusammen gewürfelt.
Dabei sind überall jene Kugeln zu finden, die auf einen wie auch immer gearteten Verursacher hinweisen, auf einen
unverständlichen Willen hinter der Diskontinuität, der sich dem Verständnis der Gestrandeten entzieht.
Denn offenbar wurden nicht wahllos Perioden der Menschheitsgeschichte neu gemischt. Die gigantischsten davon sind sicherlich der
Zug Alexander des Großen durch Asien und der Feldzug Dschingis Khans nach Europa.
Die Heere dieser beiden Giganten stoßen im alten Babylon aufeinander...
Die Odyssee geht weiter. Für viele Fans ein Traum. Baxter und Clark, schon in "Das Licht ferner Tage" ein erfolgreiches
Duo, teilen sich die Arbeit, die ein Projekt über so unterschiedliche Völker und Zeiträume mit sich bringt. Das
lässt Raum für die Geschichte, hilft dabei, einen lebendigen Eindruck zu vermitteln. Ohne die historischen Ereignisse
und Hintergründe zu überprüfen, kann man feststellen, dass es beiden gelungen ist.
In der deutschen Übersetzung von Biggy Winter bemerkt man keine stilistischen Unterschiede, sind die verschiedenen
Handlungsstränge harmonisch zu einer wunderbaren Synthese gelangt.
Während des größten Teils des Romans steht die kriegerische Konfrontation der beiden großen Armeen im
Vordergrund. Zwar merkt man ein Bemühen, die Handlungen der Mongolen aus ihrer Kultur heraus zu erklären, dennoch sind
sie die bösen Zerstörer, die auch den letzten Rest der überlebenden Zivilisation bedrohen. Das ethische Urteil
über die Mongolen wird sogar noch fundamentalistischer, als sich der Kosmonaut Kolja für diese westliche Zivilisation
opfert. Bei aller Detailtreue und historischer Genauigkeit, die uns die Autoren vor Augen führen, bleibt ein Zweifel
zurück, ob hier nicht doch eine aktuelle politische Stimmung transportiert werden soll.
Die neue Zivilisation Mir’s, wie die neue Erde getauft wurde, gründet sich letztendlich auf eine militärisch orientierte
Gesellschaft unter der Führung eines starken Herrschers. Zwar hat er demokratische Berater und behandelt die drei Menschen
aus der Zukunft wie wertvolle Gäste, aber Alexander bleibt nun einmal ein Gewaltherrscher. Dass Baxter und Clark mit diesen
Bausteinen an die Wiedererrichtung einer menschlichen Ordnung gehen, zeigt recht deutlich, wie ihre Ansicht über einen
funktionierenden Staat ist.
Der andere wesentliche Bestandteil des Werkes ist die Behandlung der außerirdischen Ursache für die
Diskontinuität. Der Eingriff gottgleicher Wesen in die menschliche Geschichte, die sich eigentlich nur ernähren wollen
und dabei ein wenig mit dem Essen spielen, bringt nicht nur die Figuren dazu, über das menschliche Selbstwertgefühl
oder die Religiosität nachzudenken.
Die Hilflosigkeit, mit der man dem fremden Willen ausgeliefert ist, lässt in der Zeit-Odyssee niemanden zögern.
Die Menschen werden als so extrem anpassungsfähig hingestellt, dass sie bei ihren Peinigern eine Art erstaunter Neugier
hervorrufen. Wodurch die Wichtigkeit des menschlichen Intellektes aber sogleich wieder betont wird.
Während ihrer Reise zu einer neuen Menschheit sammeln sich nicht nur die Fragmente menschlicher Genialität zusammen, es
entsteht auch eine zeitliche Konzentration der Kräfte. Das Beste von Besten, durch die destruktiven Mongolen ins Rampenlicht
geschoben, könnte auf Mir an einem Evolutionssprung arbeiten, etwas schaffen, dass der Menschheit anders nicht möglich
wäre.
Damit liefert der Roman eine Menge Gedankenstoff, verpackt in eine wohl dosierte Abenteuergeschichte.
Anspielungen an die Original Odyssee fehlen natürlich nicht, soviel ist man den Fans schuldig. Sei es die Mondstation Clavius,
oder Bisesas Telefon, das kurz vor dem Ausschalten noch fragt: "Glaubst du, ich werde träumen?"
Heyne packt das Gemeinschaftswerk der beiden SF-Meister in ein großes Paperback und wuchtig prangen die Namen der Autoren auf
dem Titelbild, das ansonsten eher langweilig ist.
Das ist zwar schade, aber verhindert nicht das insgesamt positive Urteil über den Roman.
Die Zeit-Odyssee ist spannend, herausfordernd und zum Glück nur ein Anfang. Wünschen wir beiden Autoren noch viel Zeit
für ihre gemeinsame Odyssee.
Die Verschmelzung beginnt lyrisch - ganz nach meinem Geschmack. Unterstützt durch die sphärischen Liedzeilen
von Amarican Pie trifft die genetisch veränderte Explorerin Isol auf einen Stoff, der ihr das Leben rettet und ihr eine
völlig neue Möglichkeit des Reisens ermöglicht: Sie kann sich quasi in Nullzeit beliebig im Universum bewegen.
Doch der Stoff ist mehr als ein Motor. Kapitel 1 ist etwas zum Genießen. Kapitel 2 lässt das Gehirn dröhnen,
aber ich mag solche "Tiefeinstiege". Raumschiffe mit integrierter Persönlichkeit, die an menschlichen Avataren festhalten -
amüsant. Dann jedoch beginnt ein großes dramaturgisches Loch, fließen zähe Kapitel um eine menschliche
Gesellschaft aus der Feder der Autorin, in der sie händeringend versucht, einen Konflikt herbei zu schreiben. Robsen
schmeißt mich am Anfang heftig in die Geschichte rein, erwartet, dass ich voll einsteige und Ihr Universum verstehe, um es
mir dann groß und breit nachträglich vorzukauen.
Da mag ich als Leser rufen:
"Ja, ich hab’s ja verstanden!"
Isol ist eine Angepasste, eine Mischung aus Mensch und Maschine, gefertigt für eine Funktion und dennoch als Mensch
beschrieben.
Isol ist menschlich. Ändert sich wirklich soviel durch eine Verschmelzung mit einer Maschine?
Bleiben Ethik und bewusstes Verständnis nicht irgendwo unabhängig davon?
Sicher wird allgemein davon ausgegangen, dass das Menschsein bei solch eine Transformation schwindet - aber warum eigentlich?
Irgendwann lässt Robson Zephyr denken, dass die Abgestimmten nur durch ihre Gefühle noch menschlich seien und dass man
ihnen ihr emotionales Erbe nicht absprechen könne, obwohl auch an den Gefühlen manipuliert wurde.
Tatsächlich stellt uns die Autorin eher die Gefühlswelt der Abgestimmten vor. Justina Robson wiederholt sehr oft, dass
Abgestimmte auch Menschen seien. Mal abgesehen von einer eventuellen Übersetzungsproblematik, verstehe ich hier ihre
Bemühungen nicht.
Ich bastle mir ein Raumschiff mit einem menschlichen Verstand. Was könnte ich an dieser Kreatur Mensch nennen?
Doch eigentlich nur seine Menschlichkeit, seine Ethik. Das aber kann ich nicht definieren, nicht festlegen. Robsens Figuren leben
zum Teil keine menschliche Ethik. Sehr deutlich werden die Unterschiede bei den Stöcken. Der Massenmord der Königin, die
den Cherisse Stock quasi auslöscht, weil sie als Individuum Denkprobleme hat, ist eindeutig ein anderes Denken.
Nichtmenschlich.
Warum will Robson so unbedingt, dass die Abgestimmten Menschen sind? Was ist hier ihr Anliegen? Will sie diese Abspaltung
dramatisieren?
Robson beschreibt in zunehmenden Maße Nichtmenschen, ihre eigene Argumentation wird durch das Benehmen eben jener
Angepassten widerlegt. Es fällt zunehmend schwerer die Motivation der Charaktere zu verstehen. Gefühlsschwanken ohne
erkennbaren Anlass, Handlungen bar jedes Kontextes lassen den Mittelteil zur großen Wüste werden.
Wenn etwa Isol und Zephyr miteinander gereizt umspringen, hab ich keine Ahnung warum.
Als sei ich mit Alice unterwegs und verfolge hastende Kaninchen.
Genauso Corvax. Der wird uns als Oberhacker und Genie vorgestellt, fest eingebunkert unangreifbar.
Dann kann eine Piratin ihn plötzlich überfallen, ohne dass er auch nur einzige effektive Verteidigung hat.
Schlussendlich versucht er sich durch eine Metamorphose zu einem echten Menschen aus den psychischen Defekten seiner Erziehung in
einer virtuellen Traumwelt zu befreien. Dabei nimmt er aber nur die Form eines Menschen an. Materiell ist er Stoff geworden, ein
elfdimensionales Wesen. Das dieser Schritt für ihn logisch ist, behauptet die Autorin, beweißt es mir als Leser aber
nicht.
Robson stellt uns eine sehr exzentrische Gesellschaft vor. Die Menschen basteln aus Menschen und Maschinen Zwitterwesen, denen sie
zwar Intelligenz aber keine Menschenrechte zubilligen. Da Robson uns nicht erklärt, warum die Menschen so handelten, muss man
wohl von einer ethisch degenerierten Menschheit ausgehen.
Das zeigt sich auch im konkreten Umgang mit den Angepassten. Keiner der "Affen" ist in der Lage, nur eine Maschine in ihnen zu
sehen. Erstaunlich, dass es keine menschlichen Aktivitäten zur Gleichstellung der Angepassten gibt. Dieser Mangel gipfelt
in die Frage, ja warum gibt man den Angepassten denn keine eigene Welt? Wo liegt das Problem? Es kostet doch nix. Man kann doch
jederzeit neue Angepasste produzieren.
Also für mich fühlt sich die entworfene Welt einfach nicht echt an, es ist keine mögliche Zukunft.
Es liegt die Vermutung nahe, Robson musste sich erst eine ausgebeutete Klasse erschaffen, um eine revolutionäre Situation
präsentieren zu können?
Aber plötzlich wird der Roman wieder interessant. Trini und Corvax, Zephyr und die Gaiaforme - es passiert etwas.
Wer hätte das für möglich gehalten.
Die Unentwickelte Zephyr, eine Archäologieprofessorin, soll den Planeten, den Isol als mögliche neue Heimat für die
Angepassten auserkoren hat, um sich von der "äffischen" Menschheit zu trennen, auf Leben hin untersuchen. Dieser Planet ist
die Ursprungswelt des Stoffes. Ab hier entwickelt sich der Roman zu einer packenden SF-Story. Das Verschmelzen von Stoff und Leben
unter Auflösung der Individualität, ohne dabei das Leben zu vernichten, ist eine großartige Idee, die Robson auch
spannend zu erzählen weiß. Zwar mangelt es immer noch an schlüssigen Handlungsmotiven, aber man merkt, dass dieser
Teil der besser ausgearbeitete ist.
Mit gefällt sogar die Möglichkeit, dass die gesamte spontane Auswanderungsbewegung von Isol durch das Artefakt initiiert
wurde.
Ist es doch ein MOTOR, also auch ein Antrieb für die gesellschaftliche Entwicklung.
Ich habe sogar den Verdacht, dass sie zu ihrer eigentlichen Idee, das mit dem Stoff, der Verschmelzung von Technik und Leben unter
Verlust einer Individualität, eine zusätzliche Storyline brauchte. Daher wirkt der gesamte Erd-Plot so undurchdacht,
aufgesetzt. Der komplette erste Teil wirkt wie ein Fremdkörper.
Die Verschmelzung ist kein einfaches Buch und auch kein gutes. Aber durch die Notwendigkeit, die Autorengedanken nachvollziehen zu
müssen, um der Handlung halbwegs folgen zu können, entspinnt sich ein sehr interessantes Nachdenken. Und das ist schon
eine beachtliche Leistung.
Der Krieg der Spinnenkönigin geht in die entscheidende Runde. Mit dem Magierduell zieht sich bereits eine der zu
erwartenden Entscheidungsschlachten durch das gesamte Buch. Athans verteilt diesen Kampf, der bis zu letzt ausgewogen bleibt, um
den Leser immer wieder von anderen Schauplätzen zurück nach Menzoberranzan zu bringen. Dadurch wird Gromph zur
Hauptperson des Romans. Zwar verweigert sich der Autor einer weiterführenden Entwicklung des Erzmagiers, aber dennoch gelingt
es ihm, den Charakter deutlich darzustellen und seine Handlungen und Gedanken auf die bisherige Person abzustimmen.
Überhaupt ist dies die besondere Leistung von Philip Athans. Mustergültig bleibt er auf den bisherigen Spuren der
anderen Autoren und verwendet alle Figuren so gekonnt, dass auch die weniger aktiven von ihnen keine Enttäuschung
darstellen. Athans lässt jeder von ihnen ein eigenes Leben, sie wirken natürlich und immer Figurengetreu.
Besonders deutlich wird diese Präzision bereits im Romananfang. Dieser ist in seiner nüchternen Brutalität kaum
zu übertreffen und wird damit dem Wesen der Drow in einer Art gerecht, die selbst R. A. Salvatore nicht erreichte.
Die zweite Person, der Athans besondere Aufmerksamkeit widmet, ist Halisstra. Ihre verwirrten Gefühle, die in Band 4 eher
wenig Raum hatten, werden sanft beschrieben, Änderungen langsam aufgebaut und sorgfältig zu einer neuen Halisstra
gebündelt.
Beeindruckend ist auch, mit welcher Leichtigkeit Athans die Fülle an Stoff und Hintergrund verarbeitet. Er bewegt sich im
Unterreich, als wäre er hier geboren und beweißt dabei ein beispielloses Wissen um die Vergessenen Reiche. Selbst der
Oberflächegeschichte hat er noch etwas hinzuzufügen und versucht, durch geschichtliche Ereignisse Tiefe zu erzeugen.
Verheerung ist ein vergnüglicher Fantasyroman der tiefer in die Serie einsteigt, als seine Vorgänger - eindeutig der
bisherige Höhepunkt des Krieges der Spinnenkönigin.
Aufmachung und Gestaltung sind weiterhin tadellos. In den Händen von Feder & Schwert sind die Taschenbücher der
Vergessenen Reiche deutlich bibliophiler geworden, als es unter der Verantwortung der Großverlage zu beobachten war. Die
Zeichnung Rylds auf dem Cover von Brom ist düster und böse zugleich, eine perfekte Illustration der zu erwartenden
Auseinandersetzung im Roman.
Die Übersetzung von Jutta Swietlinski offenbarte keinerlei Schwächen, so dass man als Fazit nur schreiben kann:
Verheerung ist ein wirklich gutes Buch.
Die Insektoiden Thranx und die Menschen kommen sich allmählich näher. Da treffen die Menschen auf eine weitere
Spezies: den Pitar. Diese Humanoiden sind unwahrscheinlich schön. Kein Wunder, dass den Menschen die "Käfer"
plötzlich egal sind.
Doch dann wird die Kolonie von Treetrunk überfallen. 600.000 Menschen, die gesamte Bevölkerung, wird abgeschlachtet.
Eine fieberhafte Suche nach den Tätern beginnt. Doch diese haben keine Spuren hinterlassen. Aber dann wird ein
Überlebender des Massakers entdeckt...
Der frühe Homanx-Zyklus geht in die zweite Runde. Standen in Die Außenseiter
noch zwei Figuren im Zentrum des Geschehens, wechselt Foster in diesem Roman beständig die Protagonisten. Mit Alwyn setzt er
zwar einen Charakter ein, der sowohl den Anfang als auch den Schlusspunkt der Begegnung mit den Pitar mitbestimmt und eine sehr
wichtige Figur für den Haupthandlungsstrang darstellt, aber Foster nimmt sich die Zeit, all jene kleinen Geschichten zu
erzählen, die sein Homanx-Universum abrunden. Etwa die Gründung der Vereinigten Kirche oder die Entstehung der
gemeinsamen Sprache.
Dabei gelingt es ihm, kleine und spannende Episoden darzubieten, die genau ihre Funktion erfüllen, nämlich den Einblick
in das von ihm geschaffene Universum zu vertiefen und abzurunden. Er betreibt sozusagen Werkpflege. Das Commonwealth liegt Foster
sehr am Herzen und er möchte mit diesen Romanen des frühen Homanx-Zyklus eventuelle Lücken schließen. Das
mag für Fans interessant, für alle anderen aber eher unbedeutend sein. Denn Foster gibt sich keine Mühe, das
Geheimnis um den Massenmord auf Treetrunk zu verschleiern. Auch der Laie erkennt nach 50 Seiten, dass mit den Pitar etwas nicht
stimmt. Wer für das Gemetzel in der Erdkolonie verantwortlich zeichnet, ist für den Leser damit überdeutlich
erkennbar.
Die Suche nach den Tätern ist im Schlussteil des Buches aber dennoch spannend, da Foster das Wie der Aufklärung
genüsslich zelebriert.
Das eigentliche Resultat des Buches aber hinterlässt einen mehr als schalen Geschmack. Foster zieht als notwendige und einzig
schlüssige Lösung des Konflikts einen gigantischen Genozid durch. Man vermisst Bedenken oder philosophische Fragen, die
etwa den Thranx in den Mund zu legen gewesen wären. Aber Foster zeigt keinen anderen Weg. Die Pitar werden, obwohl sie
handlungsunfähig hinter einer Blockade festsitzen, ausgelöscht.
Gerade nach Orson Scott Cards mehr als eindringliche Auseinandersetzung in den Ender-Romanen mit dem Genozid an einer anderen
Rasse, deren Verhalten man ethisch nicht nachvollziehen kann, ist eine solch banalisierende und undifferenzierte
Auseinandersetzung mit dem Thema unverständlich. Es wertet den Roman, der erzählerisch ansonsten sehr solide ist,
deutlich ab. Foster wird sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, mit dem Klagelied der Sterne ein moralisch bedenkliches
Werk verfasst zu haben.
Das Titelbild von Mark Harrison verliert durch die Covergestaltung viel von der ursprünglichen Dramatik. Mit den verwendeten
Schriftfonds für Titel und Namen entsteht ein bonbonfarbener Gesamteindruck.
Klagelied der Sterne ist ein tragisches Spätwerk. Fans sollten sich damit befassen, allein schon, weil es ein neues
Licht auf die anderen Commonwealth-Romane wirft. Für alle anderen bleibt der Hinweis auf die vielen Veröffentlichungen
im SF-Bereich.
Anakin Skywalker, gerade erst durch die erfolgreiche Prüfung zum Jedi-Ritter geworden und sein ehemaliger Lehrer, Obi-Wan
Kenobi sind die einzige Hoffnung für Kanzler Palpatine: Die Separatisten unter der militärischen Führung General
Grievous haben ihn während eines Großangriffs auf das Zentrum der Republik, dem Planeten Coruscant, gefangen genommen.
Nun droht Sith-Lord, Graf Dokuu, der sich ebenfalls auf Grievous Flaggschiff befindet, den Kanzler umzubringen. Doch es gelingt
den beiden Jedi zum entführten Palpatine vorzudringen. Hier kommt es zum Duell zwischen Dokuu und Skywalker; Kenobi wurde
während des Kampfes bewusstlos. Indem Anakin auf den Einflüsterungen des Kanzlers hört, tötet er den
entwaffneten Sith. Tiefer schreitet Anakin in den Schatten der dunklen Seite.
Doch für die Befreiung des Kanzlers wird er als Held bejubelt. Das Leben könnte so schön sein, doch da hat Anakin
einen erschreckenden Traum: Er sieht den Tod seiner geliebten Frau Padmé. Von nun an kennt er nur noch die Furcht um ihr Leben,
will er doch nicht noch einmal zu spät kommen, wie beim Tod seiner Mutter Shmi.
Dabei gerät er zwischen die politischen Fronten der untergehenden Republik. Am Ende kommt es zum langerwarteten
Höhepunkt der Trilogie: Die Verwandlung von Anakin Skywalker zu Darth Vader...
Einen Roman nach einem Drehbuch zu schreiben ist keine besonders dankenswerte Aufgabe. Noch schlimmer ist es, wenn der Film in
erster Linie ein Effektfilm ist. Vielleicht 120 Minuten Kino muss zu einer lesenswerten Geschichte umfunktioniert werden, neben
den Schwierigkeiten der detaillierten Beschreibungen soll auch dramaturgische Rahmen gewahrt bleiben, ohne das Effektfeuerwerk
der großen Leinwand zu Verfügung zu haben.
Stover konzentriert sich in seinem Roman auf die genaue Motivationsbegründung der Figuren. Die Hartnäckigkeit, mit der
er seinen Figuren in die Psyche blickt, zeigt die Tiefe des Gesamtproblems: Dieser Anakin Skywalker will einfach nicht
glaubwürdig werden.
Was mit der unbefleckten Empfängnis in Teil 1 seinen verkorksten Anfang nahm, mit einer lächerlichen Liebesgeschichte
fortgesetzt wurde, findet hier seinen traurigen Abschluss. Umso bekümmernder, als beim Lesen beständig das Gesicht
Hayden Christensens in der Rolle des Anakin vor Augen steht.
Stovers Leistung ist dennoch bemerkenswert. Vielleicht fehlten ihm einfach nur noch mehr Szenen für eine echte dramatische
Figur. Hier setzen das Drehbuch und die Kürze des Films wohl die Grenzen. Es steht zu befürchten, dass der Film hier
noch mehr Schwächen offenbart, wenn die einfühlsame Innensicht des Romans fehlt.
Dafür geht das Buch auf Szenen kaum ein, die im Kino wohl ausführlicher behandelt werden, etwa Yodas Befreiung von
Kashyyyk.
Der eigentliche Gewinner des Buches ist Obi-Wan Kenobi. Er bleibt der gute Held mit der weißen Weste, der makellos durch die
Handlung schwebt und meisterlich mit der Macht in Harmonie schwingt. Ach ja, besonders spannend ist das nicht, eher auf die
subtile Art befriedigend, die einem ein Funke Licht in dem düsteren Plot zu geben vermag.
Der Rest der Figuren erfüllt statistische Funktionen. Am ehesten hat Palpatine genug Szenen um seine Rhetorik unter Beweis zu
stellen, aber nur um zu zeigen, wie geistig minderbemittelt der geprüfte Jedi Anakin Skywalker ist.
Weder Padmé, noch die anderen Jedi, geschweige denn die Droiden setzen irgendwelche Höhepunkte. Immerhin wird erklärt,
warum C3-PO sich nicht mehr an Skywalker und Obi-Wan erinnert. Was natürlich die Amnesie R2-D2 und dem Jedi nicht zu
begründen vermag.
Im Gegenzug darf sich Leia ja in "Rückkehr der Jedi-Ritter" an ihre Mutter erinnern, obwohl sie nun bei ihrer Geburt stirbt.
Aber natürlich wird dieser Fehler in einer zukünftigen Bearbeitung der alten Trilogie ebenso behoben, wie das Gesicht
von Darth Vader.
Interessant ist die nachträgliche Hervorhebung von Qui-Gon Jinn. Stover hat ja bereits Erfahrung im STAR WARS Universum und
dies merkt man deutlich. Seine kurzen Auftritte von Mace Windu zeigen die tiefe Figurenverbundenheit, die er bereits in Mace
Windu und die Armee der Klone und in Traitor (engl. Original - noch nicht in deutsch erschienen) aus der "Erbe der
Jedi-Ritter" Buch Serie auf- und ausbauen konnte.
Als Fazit bleibt ein dialoglastiger Roman übrig, der auf hohem analytischen Niveau Figurenpflege betreibt, aber durch die
Vorlage bedingt an Handlungsarmut leidet.
Trotz intensivem Bemühen kann Stover die inhaltlichen Mängel und Lücken Georges Lukas nicht übertünchen.
Der gestürzte Hauptmann Blank, ehemals ein Wissenshüter, kehrt nach Gendival zurück und beansprucht den Titel
des Archimandriten, dem Obersten der Wissenshüter, erneut für sich. Schon einmal hatte Amaurn, so Blanks eigentlicher
Name, versucht, den Schattenbund zu modernisieren. Doch Cergorn hatte diese Pläne zerschlagen und Amaurn zum Tode verurteilt.
Nun kommt es zum erneuten Kampf zwischen den beiden Gegnern und der Schattenbund droht in unterschiedliche Lager zu zerfallen.
Unterdessen kämpfen die Überlebenden in Tiarond gegen innere Feinde. Krankheiten und Misstrauen schwächen die
Gemeinschaft. Aliana sieht in Galvaron den besseren Herrscher und versucht mit dem geheimen Ring des Hierarchen, Druck auf
Gillarra auszuüben, die als Hierarchin wenig Eignung zeigt. Zudem liegt zwischen ihr und dem neuen Hauptmann der
Gottesschwerter einiges in der Luft.
Seriema und Tormon entdecken bei den Rotten neue Freunde und unerwartete Feinde. Scall wird entführt und entfernt sich so von
Rochalla...
Die Handlungsfäden sind nicht kurz zu umreißen. Zu Vieles hat sich aufgetan, zu viele Personen rufen nach Beachtung.
Der Autorin schien beim Verfassen von Teil 3 der Schattenbund Trilogie die Zeit davon zu rennen. Der Stoff schichtet sich in
dicken Bahnen und kann kaum zu ordentlicher Kleidung verarbeitet werden.
War die Stärke des ersten Bandes noch die Ruhe und Gelassenheit, mit der jede Aktion aus den verschiedensten Blickwinkeln und
Augen betrachtet wurde, rast Band 3 förmlich dahin. Ganze Nächte werden in zwei Sätzen abgehandelt. Wenn Rochalla
eine Nacht in den Händen ihres Entführers leidet, ist es nur noch eine Randnotiz.
Nicht, dass mit einer ausführlicheren Schilderung, Substanz gewonnen wäre, aber Kontinuität.
Auch der Personen hat Furey zu viel, um einen ordentlichen Abschluss hinzubekommen. So lässt sie große Teile der
Hauptfiguren aufeinander treffen und fortan gemeinsam Abenteuer erleben.
Bestach Band 1 noch durch eine realistische Darstellung, kommt es in den Folgebänden immer mehr zu einer verklärten
Harmonisierung. Die Bösen werden lieb, ihre Taten entschuldbar. Cergorn, der als Quasi-Guter Fehler beging, wird mit
Gedächtnislöschung bestraft, ohne dass die Autorin ethische Probleme damit erkennen lässt.
So versandet die im Ansatz gute Fantasystory in Blümchenromantik.
Unlogisch handelnde Figuren, konstruierte Konflikte, belanglose Dialoge und unspektakuläre Ideen machen das Auge der Unendlichkeit zu einem wahren Dolchstoß ins Herz der Trilogie.
Wahrscheinlich hätten zehn Figuren und einigen Verflechtungen weniger den Stoff spannender gemacht.
Lübbe bringt auch diesen Band in der Reihe Bibliothek der Phantastischen Literatur heraus, mit Hardcover und im old-fashioned
Design, was dem Inhalt aber eher schmeichelt, als gerecht wird.
Schade ist es um eine Serie, die so gut begann.
Die Erzählung wird als Klassiker in diversen Listen geführt, nicht zuletzt, weil Andrej Tarkowski in seinem Film
Stalker darauf Bezug nimmt. Allerdings haben die Strugatzkis für das Filmprojekt den letzten Teil der Erzählung
umgestaltet und auch unter dem Namen Die Wunschmaschine separat veröffentlicht.
Das einführende Interview erleichtert den Einstieg sehr. Es setzt nicht nur eine zynische Sicht auf den Hintergrund, sondern
sorgt auch dafür, dass man im Nachhinein mehr versteht, gerade im dritten Teil, da der Wissenschaftler erneut zu Wort kommt und
näher auf die verschiedenen Theorien über Erstkontakt eingeht. Das kosmische Picknick ist allerdings eine
äußerst originelle Idee
Der Leser wird in die Handlung geworfen. Die Perspektive ist Innensicht Schucharts - so dicht kommen wir der Figur erst wieder zum
Schluss.
Die klassische Einteilung in vier Akte wird von den Strugatzkis mit einem temporeichen und spannenden Auftakt sehr gekonnt umgesetzt.
Handwerklich erste Sahne, besonders so dicht nach Singularität, wo zumindest in
Teilen des Festivals ähnliches Gedankengut verarbeitet wurde, wie hier bei den Picknickern.
Meine Ausgabe beruht auf der Übersetzung von Aljonna Möckel vom Verlages Das Neue Berlin, sie enthält wirklich gute
Innenillustrationen von Günter Lück, ganz im Stile der Sgt. Pepper Ästhetik.
Ich habe Das Picknick zum ersten Mal in meiner Jugend gelesen und es von damals auch mehr in Richtung Märchen im ´
Gedächtnis behalten. Was natürlich auch eine Frage der Lesererfahrung ist.
Es ist im eigentlichen Sinne Phantastik. Vielleicht sogar eine russische Variante der Gralssuche. Die Ritter der Zone scharren sich
ja im dritten Teil um König Aasgeier und veranstalten ihre Art von Turnieren. Die Orte ihres Todes stehen dann wie Kapellen am
Wegesrand von Roderiks Queste.
Der Müll in der Zone, den die Schatzgräber bergen, ist ähnlich der Fringe aus Stross’
Singularität, in seiner chaotischen Zerstörungskraft faszinierend.
Hier ein für den Leser funktionierendes Gebilde der Analyse zu kreieren, scheint mir die eigentliche Leistung.
Die Geschichte begleitet die Hauptfigur nicht kontinuierlich, sondern nur Abschnittsweise. Ich kann mich erinnern, dass die Autoren
es mit Maxim Kammerer ähnlich taten, nur eben auf mehrere Bücher verteilt.
Ich glaube gar nicht, dass es wirklich um die Aliens geht. Ihre Hinterlassenschaft ist nur ein Fokus.
Die Strugatzkis legen den Handlungsort an eine für ihre primären Leser weit entfernten Punkt, der hätte auch in
einer anderen Galaxie sein können.
Obwohl der Existenzkampf, das ganze Ausgebeute, nach Kapitalismuskritik aussehen mag, wird hier heftig vom Leder gezogen, gegen das
Vaterland.
Nicht umsonst wird so viel gesoffen, geraucht und geflucht.
So kann man die Zonen auch als "Freihandelszonen" lesen, als analytische Betrachtung eines Einbrechens anderer Umgebungsvariablen in
eine starre Gesellschaft.
Es kehrt das Moderne das Alte heraus.
Die goldene! Kugel ist ein Rätsel dem etwas zugesprochen wird, was die Umstände ebenso hervorgebracht haben können.
Kinder entstehen je gewöhnlich... durch Fortpflanzung, nicht durch eine Wunschmaschine.
Iwan Zarewitsch suchte auch nach danach und bekam stets die Zarentochter und das halbe Königreich.
Schucharts Odyssee lässt sich als komplexe Struktur immerwährender Fürsorge erklären.
Irgendwie passt das zur eigenartigen Ritterlichkeit Schucharts.
Sein eigener Codex ist einer starken Veränderung unterworfen, allerdings enthält er immer dieses Verantwortungsbewusstsein
für Andere. Er ist damit auf einer Seite ein strahlender Held, auf der anderen Seite aber auch ein kompromissloser und
gerissener Underdog, ein Mörder. Zerrissen. Genauso wie ich mir einen Russen vorstelle. Was daran liegen mag, dass die Autoren
welche sind und sie mir nicht eine kanadische Gesellschaft verkaufen können, oder es auch gar nicht versuchen.
Das die Strugatzkis über den Sozialismus schreiben, halte ich für eindeutig. Etwas anderes ist nicht vorstellbar. Es gibt
bestimmt nicht viele sowjetische Autoren, denen es nicht um ihr Land und dessen Gesellschaft ging.
Vielleicht sind die Zonen ja auch eine Vision der Gebrüder vom Verfall des Superstaates. In ihren anderen Büchern bohren
sie immer unter die Oberfläche gefestigter Strukturen und fördern dort die Fresstunnel der Subkultur zu Tage.
Die Goldene Kugel mystifiziert den Zukunftsglauben der sozialistischen Utopie und enttarnt ihn zugleich. Distupien sind ja hier
eine sehr seltene Ausnahme, zumindest was das veröffentlichte Spektrum anbelangt. Vielleicht musste das Schlusskapitel
geschrieben werden und vielleicht wehrten sich die Autoren gegen das optimistische Ende in dem sie es derartig böse
darbieten. Mit dem Opfer. Mit der moralischen Zerstörung ihrer Hauptfigur. Brachte die sowjetische Gesellschaft auf dem Weg
in die schöne Zukunft nicht ebensolche Opfer? Wurden nicht Millionen umgebracht, um den Weg ins Licht freizuräumen?
Die gegenläufige Beziehung von Glück und Glückssuche macht das Tragische der Figur aus. Schuchart wird nicht zum
Tier. Vielmehr scheint er zum Ende hin vergöttlicht. Er transzendiert.
Kein Wunder, dass den Strugatzkis Tarkowskis Interpretation und Konzentration gefiel.
Die ersten drei Teile sind eine spannende SF-Erzählung, aber durch den vierten Teil wird daraus ein Kunstwerk. Denn es
atmet.
Die Tatsache an sich, dass sich die Hauptfigur innerhalb weniger (gemessen am heute Üblichen) Seiten verändert, glaubhaft
eine Entwicklung durchlebt, zeigt die hohe Qualität im Erzählstil.
Ein Klassiker, ohne Zweifel.
Bereits in die dritte Runde geht die Anthologiereihe des Wurdack Verlages. Leider sind Deus Ex Machina und Walfred
Goreng, die Vorgänger dieser Anthologie, an mir vorüber gegangen, aber wenn Überschuss eine konsequente
Fortsetzung in Auswahl und Präsentation darstellt, sind auch die ersten beiden SF Kurzgeschichten Sammlungen eine nähere
Betrachtung wert.
Der Herausgeber Armin Rößler spricht im Vorwort von einer Bewegung im Kurzgeschichtenbereich, von einer „positiven
Entwicklung“. Diese ist an einer kreativen Schicht von Autoren gebunden, die sich aktiv um eine Veröffentlichung ihrer Werke
bemühen und dabei zunächst nicht mit den großen Serien an die Öffentlichkeit treten, sondern ihre Ideen in
kurzen Geschichten ausformulieren und dabei ein in Deutschland wenig genutztes Sprungbrett für sich entdecken, dass besonders
durch den fehlenden Markt für Pulp- und SF-Magazinen wenig Aussicht auf Erfolg verspricht.
Aber vielleicht ist auch nur die Zeit der großen Verlage vorbei, die neben Star Trek ab und zu ein Erstlingswerk wagen.
Also her mit den Autoren der neuen deutschen Literatur!
Die Titelgeschichte von Torben Kneesch präsentiert eine Methode zur Entsorgung menschlichen Überschusses, die die
Motive von Zeitreise und Kälteschlaf mischt. Nicht wirklich neu, aber in seiner logischen Konsequenz sehr gut vorstellbar.
Eigentlich fehlt nur die Technik, sonst könnte Kneeschs sarkastische Vision Realität sein.
Ähnlich dicht an die bekannte Welt lehnt sich auch Lutz Herrmanns Der Irrtum an. Kaltes Managergehabe in einer
gefühlsarmen Welt. Der Sieg des kleinen Mannes hinterlässt einen fahlen Geschmack, die Story bleibt im Grunde
pessimistisch. Solide, wenn auch wenig inspirierend.
Barrieren von Armin Rößler hat es schwer. Der Stoff ist für eine Kurzgeschichte eigentlich zu
umfangreich. So bleiben zu viele Fragen übrig. Die Hauptfigur, die hier eine kolossale Weiterentwicklung der Evolution
symbolisiert, bleibt ungewohnt blutarm.
Fritten ins Weltall schießt Birgit Erwin mit ihrer Groteske Nur ein Gedanke. Witzig, überraschend und
kurz. Definitiv eine Glanzleistung der Spacigen Frittierkunst.
Der Spaziergang von Markus K. Korb überzeugt in der präzisen und detailgetreuen Beschreibung eines Lost in
Space-Erlebnisses. Allerdings hinterlässt diese kurze Skizze keine bleibenden Eindrücke, fehlt ihr eine Idee für
eine Geschichte.
Die Mediensatire Der Untergang der Titan von Bernhard Weißbecker verhilft den öffentlich-rechtlichen
Sendern zu unverhoffter Unterstützung. Das unmenschliche Gerangel um die Übertragungsrechte der letzten Stunden einer vom
Untergang bedrohten Raumschiffbesatzung ist pointiert und absolut realistisch in Szene gesetzt.
Andrea Tillmanns begleitet in Nicht ganz Atlantis ein junges Mädchen, das die Grenzen ihrer Welt kennenlernt.
Eine unaufdringliche Erzählung, die besonders durch die einfühlsame Sprache auffällt und dabei dennoch ein
gewichtiges Thema angeht: Die menschliche Zivilisation ist nur eine hauchdünne Schicht über den Trieben des Tieres
Mensch.
Eine rabiate Art zukünftiger Bestrafungen präsentiert Peter Hohmann in Strafvollzug: Den Delinquenten wird
das aufgebrummte Strafmass in Form von Lebenskraft entzogen. Leider ist der Plot selbst zu vorhersehbar und wenig fesselnd.
In Wider Willen werden Tradition und Familienehre einer Kolonialwelt in Frage gestellt. Mit drastischen Mitteln versucht ein
Vater seinen Sohn zu einer Vernunftehe zu zwingen, allerdings gibt es genau gegen diese Ehen ein Gesetz; soll man nur aus Liebe
heiraten.
Die Geschichte lässt den Leser irritiert zurück, handelt es sich doch um eine unübliche Science Fiction Story von
Axel Bicker, die am ehesten noch mit einer Darkover Erzählung zu vergleichen ist.
Der Horror geht um im Festtagsprogramm von Thorsten Küper. Die Raumstation Lowell ist Schauplatz einer grausigen
Auseinandersetzung, die actionreich, mit Sarkasmus und einer gehörigen Menge Blut unter die Haut geht. Die Darstellung ist
dabei sehr plastisch, was der Atmosphäre zu gute kommt.
Nina Horvaths Spirale ist ein kurzer philosophischer Moment. Wenn auch wenig passiert, enthält die
Kurzgeschichte genau jene Nachdenklichkeit, die nach dem gruseligen Festtagsprogramm angebracht scheint. Die Frage, inwieweit das
Leben in vorgefertigten Abläufen stagniert, und wie man diese durchbrechen kann, ist eindringlich bearbeitet worden.
Der Besucher ist ein Alien vom Planeten Xeracox, der die Erde bereist und dort so seine Erfahrungen macht. Die
leichtfüßige Geschichte von Uwe Herrmann macht Spaß ohne dabei mehr zu wollen.
Da hat es der Besucher in Albas bestes Spiel von V. Groß schon schwerer. Um sein Leben wird gespielt. Die
Geschichte ist solide, beschränkt sich aber mehr auf die Personen als auf eine tatsächliche Story.
Edgar Güttge bleibt seinem Ruf als Meister der Groteske treu. Flasken ist eine großartige Parodie mit
bösen Seitenhieben, neckigen Einfällen und einer temporeichen Erzählweise, die begeistert. Für mich ist
Güttke eines der großen erzählerischen Talente unter den unentdeckten Autoren.
Nicht minder hochwertig geht es mit Ilka Sehnerts Das Buch weiter. Im Autorenkästchen, deren Präsenz zu
Beginn jeder Geschichte zunächst irritiert, aber zunehmend interessanter wird, stellt man die Schauspielerei der Autorin als
Ursache für ihren knappen und rhythmischen Sprachstil dar. Tatsächlich fällt er aus den Rahmen der übrigen
Texte; von graziler Schönheit, ist die Wiederfindung einer natürlichen Fortpflanzung auch inhaltlich ein Glanzstück
dieser Sammlung.
Die Realität in Frage stellt Bernhard Schneider in Der Bewohner. Die Geschichte zielt auf die Pointe ab und ist
trotz des bereits arg strapazierten Themas lesenswert.
Die dritte herausragende Geschichte der Anthologie ist Antje Ippensens Alles wandelt sich. Die grüne Evolution
wird in treffsicheren Bildern und Wortspielen ausgeführt, sie wächst quasi zur vollen Blüte. Es ist bewundernswert,
wie leicht der Autorin der Umgang mit dem pflanzlichen Sujet fällt, wie einleuchtend ihr die GRASWURZELDIMENSION (welch Wort!)
gelingt.
Uwe Sauerbrei beschreibt eine etwas andere Art der Verwandlung in Allmacht. Aus einer sehr genau und detailliert
dargestellten Alltagszenerie heraus entwickelt er eine Mutation über den menschlichen Status Quo hinaus, bis die Grenzen der
Schöpfung erreicht werden.
Nach dem außergewöhnlichen Besuch der GRASWURZELDIMENSION erscheint die Erzählung etwas bieder.
Die Anthologie endet abrupt mit der Fallstudie: Terroristin Jenny S. von Heidrun Jänchen. Hier wird recht
gefühlvoll die Auswirkung einer rigiden Einsetzung der Klontechnologie beschrieben. Jenny Seidel gerät in die Zerhacker
einer genmanipulierten Gesellschaft, in der es normal ist, Klone als Ersatzteillager zu halten.
Mit dieser bedrückenden Geschichte verschiebt sich die Waage der besonders guten Geschichten in dieser Anthologie noch weiter
hin zur weiblichen Seite.
Überschuss ist besonders im zweiten Teil eine Sammlung überaus interessanter und beeindruckender Erzählungen
und Shortstorys.
Armin Rößler und der Wurdack Verlag sorgen dafür, dass der deutsche SF-Markt eine kreative Unterfütterung mit
dem Nährboden guten Phantastik erhält: Brilliante Kurzgeschichten.
Der Geist des Steines schließt sich nahtlos an seinen Vorgänger, Das Herz von
Myrial, an.
Die Wissenshüter Veldan, Elion und Kaz entkommen dem Chaos von Tiarond und gelangen nach Gendival, dem geheimen Reich des
Schattenbundes. Hier kollidieren die unterschiedlichen Ansichten zur Bewältigung der Krise. Dabei beweist der Führer des
Schattenbundes, Cergorn, erneut große Sturheit.
Währenddessen sucht der abtrünnige Amaun in Callisiora nach Verbündeten und die Gruppe um Tormon nähert sich
den Ursprüngen Myrials.
In Tiarond versuchen die Überlebenden, in der Basilika dem Angriff der Ak''zahar standzuhalten. Tirishri, gefangen in der
magischen Falle Blanks, erfährt mehr über das Volk der Magier...
Allein die kurze und bei weitem nicht vollständige Inhaltsangabe lässt erahnen, dass dieser zweite Teil ohne Band 1
nicht zu lesen ist. Es werden sehr viele Handlungsstränge aufgeworfen und davon nur wenige miteinander verbunden. Die
Sprünge zwischen den Schauplätzen erfolgen meist recht zufällig, was ein wenig von der Dramatik zerstört.
Zudem baut Furey neue Figuren in die Handlung ein, wodurch der zeitliche Ablauf erneut verzögert wird und immer mehr den
Charakter eine Telenovela annimmt. Mit zunehmendem Lesefortschritt wird deutlich, wie oft die Autoren bei der Charakterisierung
ihrer Figuren statisch bleibt und dabei auf Klischees zurückgreift.
Las sich der erste Band noch als eine bunte Menagerie, fallen im zweiten Band die Strickmuster immer stärker ins Auge, wird
die recht simple Grundstruktur erkennbar. So bleiben die Konzepte Gut und Böse klar von einander getrennt. Damit gehen
logische Abfolgen einher, die es dem Leser leicht machen, die Geschehnisse vorauszusagen. Die Gestaltung der einzelnen
Persönlichkeiten verflacht zusehends. Besonders das Verhalten Cergorns, der ja als Führer des Schattenbundes eigentlich
gewisse Fähigkeiten haben sollte, wirkt unglaubwürdig. Hier werden Konflikte gebastelt, die den Leser nicht
überzeugen können.
Zwar ist Der Geist des Steines immer noch ein spannender Fantasyroman, durch den technischen Hintergrund des Hauptplottes
wird sogar SF ins Spiel gebracht, aber die Fortsetzung offenbart deutlich, dass Maggie Furey leichte Kost ist.
Die Ausgabe in der Bibliothek der Phantastischen Literatur ist ein Schmuckstück. Es wird versucht, den Eindruck eines
ledergebundenen Buches mit Metallecken zu erwecken, das Cover von Atilla Boros und die schon von Band 1 bekannte Innengestaltung
unterstreichen den klassischen Eindruck.
Der Anfang des Debüts von Charles Stross stellt zunächst zufrieden. Das Setting ist effizient und lesbar in Szene
gesetzt. Die Handlung beginnt als Satire, nicht bissig oder bitterböse, eher in Richtung Schalk gehend.
In eine Provinzwelt, deren Gesellschaft eine Mischung aus Zarentum und viktorianischem Stil darstellt, mit einer kleinen Beimengung
High Tech., bricht ein fremdartiges Gebilde, das sich Festival nennt, und wirbelt alles durcheinander:
Es regnet Telefone, die die Bevölkerung auffordern, sie zu unterhalten, im Ausgleich werden Wünsche erfüllt.
Ein wirklich großartiger Einstieg.
Leider konnte der Autor diese Großartigkeit nicht über den gesamten Roman hinweg aufrechterhalten.
Die Figuren erhalten keine Tiefe, obwohl ihre Einführung es meist verspricht.
So ist die Beschreibung des Admirals Kurtz stark karikierend. Sie verdeutlicht, wie sehr die Neue Republik mit ihrem statischen
Gesellschaftssystem an ihre Grenzen stößt. Die Funktion ist nicht sonderlich innovativ aber auch nicht peinlich.
Solche Figur passt einfach in die erdachte Militärhierarchie.
Aber mit fortschreitender Handlung, wird die Figur immer überflüssiger, ihr destruktives Potential verschenkt.
Die beiden kurz hintereinander folgenden Lebensrückblicke von Rachel und Martin kommen wie Hammerschläge ohne sichtbare
Motivation, erscheinen als fehlgeschlagener Versuch, die Charakterisierung der Personen vielseitiger zu gestalten.
Kurz vor Schluss erhält der Leser auch noch die Lebensgeschichte des Revolutionärs Rubinstein. Durch die Verknüpfung
mit Wassily dringt leider eine völlig unnötige Familiengeschichte in die Handlung und flacht meiner Meinung nach den doch
recht interessanten Charakter des Revolutionärs ab.
Warum gibt es keinen Lebenslauf zur siebenten Schwester, einem Alien, die als Kritikerin das Festival begleitet?
Die Vermutung drängt sich auf, dass der Autor keine interessanten Lebensläufe ersinnen kann.
Hinzu kommen Unglaubwürdigkeiten. Etwa in der Darstellung des Geheimdienstlehrlings Wassily. So wie sein Chef, der Kurator,
aufgebaut wurde, dürfte ein unfähiger Mitarbeiter bei ihm nicht lange genug überleben, um mehrere Fehler zu begehen.
Zudem wird ja auch vom BÜRGER festgestellt, wie auffällig sich die männliche Hauptfigur, der Erdling Martin verhielt,
als er mit der weiblichen Protagonistin, Rachel, nach so langer Abstinenz abschob. Da die Hauptfiguren beide als Agenten unterwegs
sind, handelt es sich doch um eigentlich recht dumme Fehler für Spione. Besonders bei Rachel sollte mehr Professionalität
zu erwarten sein. Solche kleinen Fehler finden sich viele.
Ein weiterer Schwachpunkt sind die Military-SF Szenen, die man gutmütig als Parodie bezeichnen könnte, die aber eigentlich
für Satire zu lang und unleserlich, und zudem noch dramaturgisch unpassend über den Leser hereinbrechen.
Das Desaster bei Wolf 359, ups Wolf Depository, ist der absolute Tiefpunkt.
Ich habe von der Schlacht nämlich nichts verstanden außer dem Ergebnis.
Im Mittelteil tauchen plötzlich massiv Fußnoten auf und man bekommt die Ahnung, dass etwas mit dem Buch nicht stimmen kann,
wenn sich die Übersetzerin Usch Kiausch gezwungen fühlt, den Lesern technische Begriffe zu erklären. Oder aber die
Übersetzerin sah sich einfach außerstande den technischen Hintergrund ohne Lexikon zu übertragen und ging davon aus, dass
es dem Leser ähnlich geht.
Wenn man den Witz mit Haaren und schwarzen Löchern nicht versteht, ist es doch eigentlich nicht schlimm. Genauso sind
Insidergags aus dem Hostbereich dem Leser schnurzpiepegal. Aber wenn man mir beständig versucht zwischendurch etwas zu
erklären, stört das. Es ist wie eine plötzliche Werbepause.
Dabei gibt sich Stross große Mühe den Begriff der Singularität zu erklären und Bewegung bei großen Geschwindigkeiten
und der damit verbundenen Relativität der Zeit in die Handlung einzubauen. Die Infoblöcke werden aber immer trockener.
Den wissenschaftlichen Aspekt behandelt der Autor aber sehr stiefmütterlich. Entweder er erschlägt mit langatmigen
Erklärungen, deren Logik schwer zu folgen ist, oder aber er reißt das Thema nur an. Gerade der Upload verschwindet in der
skurrilen Handlung.
Dadurch verliert sich schnell der Reiz und auch die Lust, das Ende der Reise mitzuerleben, sinkt. Dabei sind seine Konzepte nicht
unbedingt neu. Eine höhere Wesenheit, die ihre eigene Existenz durch eine Zeitreise schützen muss. Warum nur denke ich
bei Eschaton an ES?
Gerade die zum Teil bissigen Szenen des Anfangs fehlen. Weder Humor noch Augenzwinkern sind ab der Mitte des Buches entdecken.
Der gesamte Handlungsstrang, der sich mit der Kriegsflotte der neuen Republik beschäftigt, ist uninteressant und ohne Verve
erzählt.
Auf Rochards Welt geht es hingegen recht unterhaltsam zu und erinnert an Otherland von Tad Williams.
Die Idee des Festivals ist faszinierend, schade, dass Stross erst zum Ende des Buches mehr darüber schreibt (und in
verständlichen Sätzen). Das sich verselbständigende Werkzeug mit eigenen Zivilisationen, erinnert stark an die
Endlose Armada, ist aber bei Stross spaciger. Solch cooles Konzept, und er stellt es nicht in den Mittelpunkt der Handlung!
Singularität ist ein ungewöhnliches Buch. Es verspricht sehr viel, ist aber an vielen Stellen zu unreif, um gut zu sein.
Die Art der Veröffentlichung ist ebenso gewöhnungsbedürftig, gerade die Fußnoten irritierten.
Wenn Stross seine wissenschaftlichen Ideen interessanter erzählt und in seiner Charakterdarstellung ideenreicher wird, kann er
tatsächlich zu einem guten SF-Autor werden.
Singularität ist ein Experiment, ein Versuch, der in großen Teilen scheitert aber einen gewissen Charme hat.
Der Autor unternimmt den Versuch eine Zukunft zu entwerfen, in der die Erste und die Dritte Welt ihre Rollen getauscht haben und
Russland zu neuer Macht aufgeblüht ist. Dabei stellt er eine ökologisch und moralisch verfallende Welt dar. Dieser
interessante Hintergrund wird jedoch in massiven Info-Blöcken serviert, die immer mehr wie knallbunte Tapeten für eine
billige Sex und Gewalt Story anmuten.
Die Fülle an Informationen ist immens. Hinzu kommt noch ein Überschwang an Beschreibungen, die mit massivem Einsatz von
Metaphern und Adjektiven auf den Leser einschlagen und nur sehr selten Handlungsrelevanz besitzen.
Die Handlung selbst entpuppt sich als ein simpler Plot um einen Vertreter für Gehirnverkabelung, der sich in die Frau eines
Freundes verliebt, mit ihr ein Verhältnis beginnt und als sie es wieder beendet in seinem Liebeskummer in virtuelle
Gewaltphantasien flüchtet, die ihn zum gewalttätigen Mörder machen. Motivation und Zeichnung der Figuren bleiben
dabei in den üblichen Klischees von reicher Gattin, hinterhältigem Freund und zum Junkie mutierten Betrogenen hängen.
Es kommt keinerlei Spannung auf. Die Entwicklung der Hauptfigur zum Psychpathen ist nicht nachvollziehbar. Tablettenkonsum und
Geldausgaben werden in epischer Breite dargelegt, die Auswirkungen jedoch variieren zwischen Bedeutungslosigkeit und Katastrophe,
ohne dass eine tatsächliche physische Schilderung dazu passt. Der Autor versucht hier eine Kompetenz mit Details zu erreichen,
verstärkt jedoch damit nur seine Unglaubwürdigkeit.
Der Roman hinterlässt den Eindruck, dringend einen Lektor zu benötigen, von einem Korrektorat ganz abgesehen, allein auf
den ersten vier Seiten fanden sich zehn Fehler.
Cyber Junk ist definitiv nicht eines der besten Bücher das ich bisher gelesen habe.
Nur drei Tage aus der Geschichte des Planeten Myrial schildert Maggie Furey, doch sind es sehr ereignisreiche Tage, voll
gestopft mit Geschichten und Wesen, Liebe und Hass, Rätseln und Fantasie.
Myrial ist ein Planet stark verschiedener Reiche, welche durch die Schleierwand von einander getrennt sind. Eine Organisation
Eingeweihter, der Schattenbund, bewahrt das Wissen um das Geheimnis der Welt und versucht den Schöpfern dieser Menagerie auf
die Schliche zu kommen. Doch einer dieser Hüter des Wissens, will Myrial in die Freiheit führen und die engen Grenzen der
Schleierwand zerstören. Doch mit dem Schwinden der Grenzen gelangen auch böse Wesen in friedliche Länder oder dringt
grausames Wetter in milde Regionen.
Mitten in diesem beginnenden Chaos stecken Veldan, eine Hütern, und ihr Partner, der Feuerdrache Kazairl, fest. Ihre Mission
droht zu scheitern und bald kämpfen sie um ihr nacktes Überleben. Doch die beiden sind nur ein kleines Steinchen im
bunten Mosaik aus Figuren und Handlungssträngen, das Maggie Furey mit großem Geschick und ohne jegliche Hast vor dem Leser
zusammensetzt.
Man erfährt nach und nach die Hintergründe der Personen, lernt ihre Motive kennen und wird immer tiefer in die Geschichte
hineingezogen. Aber nie wird es langweilig. Zu keiner Zeit schweift Maggie Furey ab, stets treibt sie die Handlung sanft
vorwärts, beleuchtet viele Szenen aus unterschiedlichen Blickwinkeln und verknüpft dabei die verschiedenen Stränge
mit meisterlicher Präzision.
Selbst solche Figuren, die sehr schnell aus der Handlung wieder verschwinden, weisen eine Unmenge von Details auf. Diese
Mehrdimensionalität führt dazu, dass es dem Leser trotz einer immensen Anzahl an Handlungsträgern niemals schwer
fällt, den Überblick über sie zu bewahren.
Das Herz von Myrial ist ein überaus gelungener Erster Band der Schattenbundtrilogie, Fantasie vom Feinsten. Keine
schönfärbende Elfengeschichte und auch keine ultrabrutale Metzelorgie. Myrial erscheint, trotz aller phantastischen Ideen
als ein realer Ort.
Die Übersetzung von Angela Koonen lässt keinen Grund zur Klage, die Gestaltung des Buches wirkt durch die
Kapitelzeichnung stimmungsvoll.
Das Titelbild der Paperback Ausgabe von Bastei stammt von Mick van Houten und hat mit dem Buch nicht viel zu tun, bestenfalls
könnte man an eine eher untypische Szene des Buches erinnert werden. Doch das kann nichts daran ändern, das Das Herz von
Myrial eine uneingeschränkte Leseempfehlung ist.
Die Geschichten um Felix und Gotrek sind unter den Anhängern des Table Top Spieles Warhammer so beliebt, dass Modelle der
beiden nicht selten auch in Armeen auftauchen, die weder zu den Zwergen noch zu den Menschen gehören.
Das ist wohl die Schuld von William King.
Im vierten Teil der Abenteuer sieht Felix endlich seine Ulrika wieder, doch bevor sie der Zarin in Praag Mitteilung vom Vormarsch
einer riesigen Chaoshorde machen können, taucht da noch ein alter Drache auf, den zu töten, es besonders den Slayern
mächtig in den Fäusten juckt. Es ist nicht notwendig die Vorbände gelesen zu haben, alles erschließt sich aus dem
Kontext und wird hinreichend und stilvoll erklärt.
Für Fans des Spieles sei gesagt, dass King sich mit den Armeebüchern und Hintergründen der Fünften Edition
beschäftigt hat, was Veteranen sicher freuen wird.
Ansonsten kommen alle Spielarten der beliebten Völker zu ihrem Recht. Goblins dürfen mit Kamikazekatapulten und Spinnen
moschen, die Zwerge erweisen sich als Meister moderner Kriegsmaschinen, die Skaven sind schrullige Intriganten und unsere Slayer
stürzen sich in jeden Kampf.
King handhabt seine Schar Figuren optimal. Jeder erhält eine unverwechselbare Charakteristik, die auch ihre Beziehungen
untereinander prägen. Die Liebesgeschichte zwischen Felix und Ulrika hingegen nervt zum Teil, da sie doch etwas
übertrieben lang ist.
Der Hort des Drachen ist ein spannendes Fantasy-Abenteuer, auch für diejenigen, die nichts mit dem Spiel am Hut haben,
allerdings sollte man eine Vorliebe für Hack & Slay haben, denn in erster Linie wird in diesem Buch gekämpft.
Das Buch ordnet sich in die anderen Abenteuer ein und weist in die düstere Zukunft, denn die Macht des Chaos nimmt immer mehr
zu und bedroht die Welt der Menschen. Felix und Gotrek werden immer zur Stelle sein.
Piper bringt die Abenteuer von Felix und Gotrek nicht in seiner Fantasy-Reihe heraus, sondern im Boulevard. Dafür muss man
dankbar sein, denn so kommt man in den vollen Genuss des Titelbildes von Geoff Taylor, das eine der Schlüsselszenen des Buches
darstellt, nämlich der Kampf des Zwergenluftschiffes Geist Grungnis gegen den bösen Drachen Skjalandir.
Alles in allem ist King ein weiteres fesselndes Abenteuer in der Warhammer-Welt gelungen, voller Monster, Schlachten und auch voll
von Gefühl!
Men like Gods erschien 1923 und damit über 400 Jahre nach Thomas Morus Utopia aus dem Jahr 1516. Wells weitet
das mittelalterliche Bild und steht wie Morus vor einer umfassenden Zivilisationskritik.
Der Anfang ist leicht, luftig und amüsant, lassen die Probleme des biederen Mr. Barnstaple, der am Pessimismus seines
Arbeitgebers leidet, eher an eine Karikatur denken.
Seine Flucht vor seinem miefigen Leben mit einen Auto quer durchs Land, führt ihn unversehens in eine andere Welt, mit ihm
zwei weitere Wagen voller unterschiedlichster Typen. Vom Priester über die Diva bis hin zum Minister, vom Fahrer bis zum
Militär.
Zunächst stellt man nur den plötzlichen Transfer fest und findet in zwei Toten die offensichtlich Verantwortlichen des
Geschehens.
Wie kommt man aber sogleich darauf, in Utopia zu sein, wenn man zwei schöne Leichen sieht? Nun ja, Wells nimmt sich zwar viel
Zeit, über Utopia zu schreiben, aber manche Einzelheiten nimmt er nicht so genau.
Die Beschreibung der Gesellschaft Utopias erinnert an Stapeldons Sternenschöpfer. Vermutlich bezog dieser sich auf Wellssche
Ideen, den Roman wird er gekannt haben.
In beiden Büchern wird die Erde von einem Mann aus einer englischen Landschaft heraus verlassen.
Wahrscheinlich ist der Drang nach Utopia bei Stapeldon noch intensiver, zumindest aber fantasievoller beschrieben.
Die Äußerungen zur bedingten Nützlichkeit des Privateigentums zeigen, wie dicht Wells zeitlich den Theorien von Marx und
Engels noch war. Noch war kein totalitäres System darauf gebaut worden, die Entwicklung in der UdSSR noch nicht ganz
absehbar.
Der Große Krieg von 1914 bis 1918 war noch der einzige seiner Art und England fühlte sich als Sieger, der wenig verloren
hatte.
Barnstaples ist die Leseridentifikation. Durch ihn bindet Wells den Leser an seine Ideen von Utopia. In dem Barnstaple zum Utopen
wird, versucht Wells den Leser ebenfalls dahin zu bringen.
Weder die Meinung des verbohrten Priesters Amerton als auch des Konservativen Politikers Catskill wird von Barnstaples geteilt,
aber mit Verständnis bedacht.
Wells analysiert hier unter unterschiedlichen Gesichtspunkten die Möglichkeit eines Utopia.
Zum einem natürlich der religiöse Konflikt. Für uns abgeklärte Leser, als SF-Fans eh meist unreligiös,
mag es anachronistisch erscheinen, wie viktorianisch Amerton predigt, aber zu Wells Zeiten war eine sittliche Betrachtung sehr
wichtig, nicht umsonst stellt er die Utopen so leicht bekleidet dar. Sie sollen unsittlich erscheinen.
Auf der anderen Seite der Konflikt mit der Evolutionstheorie. Für Catskill gehört die natürliche Auslese zur
Forschrittsessenz der gesellschaftlichen Entwicklung.
Wells deutet hier an, dass wenn sich der Stärkere durchsetzt, nicht das Bessere siegen muss, aber auch wie in Utopia, das
Bessere nicht immer die Stärke haben mag, um sich durchzusetzen.
Die ethischen Fragen zur Eugenik beschäftigen ja auch Wollstonecraft Shelley in ihrem Frankenstein. Die monströsen
Auswirkungen eines menschlichen Eingriffes in die Natur breiten sich ja auch erst allmählich vor unseren Augen aus.
Wells war da noch deutlich am Anfang.
Ratten und Wölfe sind wohl wichtige Symbole in diesem Werk.
Interessant finde ich auch den kolonialistischen Anspruch der Erdlinge, quasi sofort Kritik an der fremden Kultur üben zu
müssen. Nach einem anfänglichen Erstaunen kommt sofort eine arrogante Nabelschau, quer durch die gesellschaftlichen
Schichten.
Die Fremdartigkeit der utopischen Gesellschaft wird nicht toleriert, geschweige denn akzeptiert. Natürlich wollte Wells das
auch gar nicht. Er will ja über Utopia streiten.
Dadurch wird der gesamte bisherige Teil zwar sehr handlungsarm, dafür aber philosophisch sehr spannend.
Vielleicht nicht gerade sozialkritisch, da ich Wells hier nicht zu Hause sehe. Seine Ausrichtung an Moores Utopia, hat einen
globalen Wissenschaftsstaat im Sinn.
Auf der ökonomischen Seite bleibt er sehr ungenau. Weder Industrialisierung noch Automatismus spielen bei ihm eine
größere Rolle, es riecht alles nach Handarbeit.
Dass aber tatsächlich genug freiwilliger Dienst in diesen Gebieten, quasi die Drecksarbeit, geleistet werden kann, versucht
er gar nicht näher zu begründen oder zu analysieren.
Er fordert einfach einen besseren Menschen. Idealismus pur.
Mir gefällt sein Glauben an den Menschen.
Ansonsten ist eine Gewichtung in positiv oder negativ immer die Frage.
Wells empfand die Zerstörung seiner Welt und eine Umwandlung in etwas anderes als positiv - und genau das ist es aber auch,
was der Nährboden in einem Endzeitszenario ist.
Nach einer Zeit der Verwirrung beginnt das goldene Zeitalter.
Als die Erdlinge versuchen, Utopia zu erobern, reagieren die Utopen mit großem Machteinsatz. Doch es wird vorher bereits
erklärt, dass die Utopen langsam das Interesse an den Menschen verloren. Durch die Epidemie wurden sie zu einer
Gefährdung.
Humanismus spielt im Wellsschen Utopia eine untergeordnete Rolle. Es wird ja das Existenzrecht von Krankem und Hässlichem
bezweifelt. Für Wells ist es legitim, unanfechtbar sogar, ein einzelnes Leben der Idee von Utopia zu opfern. Nicht umsonst hat
Barnstaple auch Angst vor den Utopen.
Es sind eben Menschen, die Göttern gleich sind. Grausamkeit ist ein Urteil über sie, das nur von Außen getroffen werden
kann, mit unserer Ethik.
Insofern ist die Frage interessant, ob es tatsächlich eine positive Utopie ist.
Das Buch von dtv ist übrigens eine sehr gute Arbeit. Nach dem Lesen ist die Klebbindung unbeschädigt, Layout und Satz
sind modern und stilvoll.
Die Aufmachung des Bandes ist klassisch modern, dem Erstveröffentlichungsjahr angemessen.
Die Trompeten von Jericho von H.R.Giger sollen wohl eine Interpretationsrichtung des Verlages darstellen, sie veredeln auf
jeden Fall das Titelbild.
Menschen, Göttern gleich ist ein wirklich sehr guter Roman.
Vom Himmel hoch - der Titel ist bei einem wie Gerhard Branstner keine plumpe Titelei. Es steckt wohl mehr dahinter.
Denn hoch oben, im Himmel, über den Menschen der Erde, sitzen vier Weltraumveteranen im Wirtshaus
"Zum müden Gaul" und flunkern sich die Langeweile weg. Das ist göttlich.
Oder auch nicht. Denn mit der Logik nimmt es dieses kleine Büchlein schon sehr genau.
Die vier munteren Erzähler sind Wirsing - der Himmelsgärtner, dessen Haare sich natürlich wie ein
Wirsing kräuseln; Stroganoff - der Raumkoch; Kraftschyk - der ehemalige Physiker, aufgrund seiner Arbeiten mit
der Schwerkraft auch der Schwerenöter genannt und Fontanelli - der Automatendoktor, der eine Klinik für
übergeschnappte Roboter geleitet hatte.
An drei Abenden erzählen sie sich bei einigen Flaschen Wein erstaunliche Geschichten über Roboter, ferne
Welten und natürlich über das unmöglich Mögliche. Da die Geschichten absichtlich erlogen sind,
hat der wissenschaftliche Aspekt eher unterhaltenden Charakter und wird immer wieder verwendet, um am scharfen
Menschenverstand gemessen und mit listiger Lust der Heiterkeit übergeben zu werden.
Die einzelnen Geschichten müssen sich einer eifrigen Hinterfragung durch die Vier unterziehen. Dramaturgische
und logische Besonderheiten werden in aller Genüsslichkeit seziert und jede Schwäche ins Rampenlicht
gezerrt. Damit gelingt Gerhard Branstner der Trick, sich selbst jeglicher Kritik zu versagen, da er sie stets gleich
mitliefert. Ebenso lässt er seine alten Helden die Moral der Geschichten finden, um ja keinem Leser zu
verbergen, welche Pointen der Autor klug versteckte oder offen zu Tisch trug.
Der erste Abend beginnt stimmungsvoll mit der Frage, wie eine Lügengeschichte zu beginnen habe, um als solche
zwar erkennbar zu sein, aber nicht durch ihre offensichtliche Unwahrheit für eine versteckte Wahrheit gehalten
zu werden. Dieser Einstieg in die sich selbst beständig nivellierende branstnersche Logik, stellt uns die
einzelnen Erzähler kurz und anhand ihrer argumentativen Tendenzen vor.
Die vier Helden werden als schlagfertige Kauze eingeführt, die zwar alt, aber nicht vertrocknet sind.
Der Himmelgärtner beginnt mit Die haarsträubende Rettung aus tödlicher Gefahr. Aus der
tödlichen Falle fleischfressender Pflanzen entkommt man hier tatsächlich durch Haaresträuben und einer
Reminiszenz an Wilhelm Buschs "Max und Moritz", vom Autor wohl nicht ohne Absicht gleich zu Beginn des Büchleins
erwähnt.
Es dürfte wohl schwerlich eine andere SF-Geschichte geben, die ihren Plot auf Busch zurückführt.
Branstner lässt den Leser auch gleich wissen, worin seiner eigenen Meinung nach das Besondere an dieser
Geschichte besteht:
«Max und Moritz», erklärte Kraftschyk, «haben mit ihrem Streich ihren Witz bewiesen, nicht mehr. Wirsings
Gefährten aber haben mit ihrem Witz die Überlegenheit des menschlichen Geistes über die Natur
bewiesen.»
1
Stroganoff versucht mit Die Sonne im Schlepptau zu beweisen, wie ganz und gar unmöglich etwas sein kann. So
fliegt ein unmöglich großes Raumschiff mit unmöglich großer Geschwindigkeit beständig über die
Grenzen des Weltalls hinaus und kann erst durch das Einfangen eines Sternes mit Hilfe eines Netzes gebremst werden.
Doch Branstner lässt in der anschließenden Diskussion Kraftschyk argumentieren, das in einem unendlichen
Weltall auch die Möglichkeiten unendlich seien. Der Beweis für eingefangene Sterne wird aber geschenkt -
wer weiß ob dem Autor auch hier eine logische Spitzfindigkeit eingefallen wäre.
Der Automatendoktor darf in Der Narr im Waisenhaus eine Robotergeschichte zum besten geben, in der es,
ähnlich einem Volkstheaterstück, um Verwechslungen und Verkleidungen geht. Ein Ulk, der aber mit einem
Thema spielt, dem Branstner immer wieder nachgeht: Das Gedächtnis und dessen selektive Speicherung von
Erinnerungen und Gefühlen. Wie in Der negative Erfolg stellt sich der
Autor hier die Frage, wie wichtig das Vergessen für die geistige Gesundheit des Menschen ist. Und wie
verhält es sich dem gegenüber mit Robotern?
Um Zeitdilatation und Relativität geht es in Kraftschyks Geschichte Die Begegnung mit dem wahren Irrtum.
Auf der Suche nach einer Möglichkeit, sich ohne größere Probleme von seiner zänkischen Frau zu
trennen, verfällt ein Mechaniker auf die Idee, mittels Zeitdilatation deren Tod auszusitzen und als freier
Witwer zurückzukehren. Seine Kollegen vom Müllentsorgungsraumschiff Dschunke versuchen ihm den Schmarren
auszureden, aber vergeblich. Es kommt sogar noch schlimmer: Unterwegs gabeln sie den lebenden Beweis dilatierender
Zeit auf.
Natürlich darf Kraftschyk in seiner eigenen Geschichte mehr flunkern als die Anderen und so bekommt er auch im
Anschluss zu hören:
«Das ist ein starkes Stück!», rief Fontanelli.
«Erst singst du eine ganze Geschichte lang ein Hohelied des Möglichen, indem du alles Unmögliche verdammst,
und am Ende gibst du, ohne mit der Wimper zu zucken, die ganze Geschichte als unmöglich preis.»
2
Der zweite Abend beginnt mit Der eiserne Schildknappe, in der Stroganoff eine rührselige Geschichte
über seinen treuen Roboter Jimmi erzählt, der im Laufe der Geschichte an Stroganoffs Stelle die
Großvaterrolle bei dessen Enkeln übernimmt.
Gerhard Branstner berichtete in einem Interview in diesem Zusammenhang von einer Lesung, in der die Stelle:
Kinder wollen nicht nur Kinder, sie wollen auch Enkel sein, wie sie später nicht nur Eltern, sondern auch
einmal Großeltern sein wollen, weil ihnen sonst irgendetwas fehlt. Einem Tier würde nichts fehlen, weil das
keinen Enkel oder Großvater braucht. Das ist wohl auch so ein Unterschied.
3
bei einer alten Dame zu trauriger Erregung führte.
Das Ersetzen menschlicher Funktionen durch Roboter führt auch in Bereiche, die so offensichtlich gar nicht
sind.
Nachdem Kraftschyk die Erzählung unter besonderem Hinweis auf die branstnersche Technik der heiteren
Verstellung in den Kanon der Lügengeschichten einreihte, legt er selbst mit Kumpelfings im Weltraum einen
Scheit Skurrilität in das Feuer der Unmöglichkeit.
Kumpelfings picknicken nämlich nicht im Stadtpark, sondern fliegen mit ihrem Raumschiff Flaschenkürbis zum
Rande des Sonnensystems, rollen eine Decke Schwerkraft aus, die vom Filius mit grüner Farbe eingefärbt und
mit sechs Stunden Wetter, überwiegend heiter, zu einer bequemen Örtlichkeit veredelt wird.
Da an solch einem netten Familienausflug nicht wirklich etwas spannendes zu finden ist, endet die Geschichte auch
sofort wieder nach etwas Büchsengekicke und Palaver.
Das die Geschichte recht dünn ist, bemerken auch die anderen Weltraumveteranen, deshalb geht es auch ohne große
Umschweife weiter mit Die Kometenpost.
Der Weltraumgärtner berichtet von einer Rettungsaktion für eine verdurstende Welt, die er nur rechtzeitig
erreichen und mit lebensnotwendiger Kulturerde versorgen konnte, indem er als Reisemittel einen vorbeiziehenden
Kometen nutzte. Durch die ungewöhnliche Anreise, als höheres Wesen betrachtet, macht Wirsing dem Spuk ein
Ende, indem er energisch nach Nahrung verlangt, was höhere Wesen eigentlich nicht tun. Da das nun schon die
ganze Geschichte war, stößt Wirsing nicht gerade auf Begeisterung bei seinen Zuhörern. Jedoch lässt
Branstner die Geschichte mit einem Witz enden, in dem er aus der Erde die mit der Kometenpost kam, den Kompost
ableitet.
Fontanelli beschließt den Abend mit einer weiteren Robotergeschichte Der durchgebrannte Nothelfer, in der es
um einen entflohenen Roboter geht, dessen Aufgabe es war, die Probleme seines Besitzers zu übernehmen. Dadurch
aber wurde der Mensch recht träge und antriebslos. Da konnte nur ein Arzt helfen. Jedoch übernahm der
Nothelfer logischer weise auch dieses Problem und ging an des Menschen statt zum Arzt. Der rät ihm, den
Schwierigkeiten nicht mehr aus dem Weg zu gehen, also werden die Scheiben des Chefs eingeworfen und der Schwager
verprügelt, wie Roboter es halt so tun.
Doch auch die unernste Drohung, die Ehefrau umzubringen, gerät nun in die möglichen Ziele des Nothelfers,
was den Mann zur Polizei treibt, um seine Frau in Schutzhaft nehmen zu lassen.
Erneut wird in dieser Geschichte eine Stellvertreterfunktion des Roboters untersucht, trotz aller verwickelten Komik,
eine hintergründig gruselige Sache, auch wenn die Pointe das alles wieder etwas entschärft.
Den dritten Abend eröffnet der Automatendoktor natürlich mit einer Robotergeschichte: Der verliebte
Roboter. Zwar wird hier das künstliche Wesen tatsächlich als Werkzeug benutzt, doch die Grenzen
maschineller Existenz und Fähigkeiten bringen einiges zum Krachen. Branstner sucht nicht die großen Konflikte,
er wird in den kleinen fündig.
Dass sich die Stammtischexperten anschließend über die Fehlerhaftigkeit robotischer Nachahmung unterhalten und
in ihr den Schlüssel zu Geschichte finden, ist der Geschichte nicht abträglich, macht sie nur noch
amüsanter.
Stroganoff kontert diese hintersinnige Story mit Das entlaufene Perpetuum mobile, in der eine durchdrehende
Klimamaschine mit dem Rezept für Streuselkuchen im Speicher fortläuft und die heißhungrigen Menschen
zwingt, das Rezept neu zu erfinden.
Wie aber erfindet man etwas das zweite Mal, was das erste Mal gar nicht erfunden wurde?
4
Dieser Gedankengang ist typisch für die branstnersche Logik, die ihre Komik aus Fragen bezieht, die zwar einfach
zu stellen, aber kaum zu beantworten sind, obwohl sie so tun, als ob es doch möglich sei. Selbst im Trivialsten
liegt tiefe Philosophie, will uns der Autor hier zuflüstern.
Wirsing treibt hingegen ein anders Spiel: Das Königsspiel. Indem eine aus lauter Männern bestehende
Raumschiffsmannschaft in einer matriarchalischen Gesellschaft landet und dort an jenem Spiel teilnehmen, dessen
Gewinner König wird. Dieses Spiel aber ist ein Kartenspiel, in dem man gesellschaftliche Aufgaben und ihre
Bedingungen zusammensammeln muss.
Jedoch es stellt sich heraus, das Männer für derlei Staatsgeschäfte gänzlich ungeeignet sind.
Die Liebe ist das Verbindende, und wenn es nichts Trennendes mehr in der Gesellschaft gibt, entspricht die
Gesellschaft dem natürlichen Beruf der Frau.
5
Und wie ließe sich diese These besser beweisen, als mit einem Blick auf die eigenen Ehen?
Nach diesem Loblied auf die weibliche Herrschaft beschließt Kraftschyk den Abend und das Buch mit Vom Himmel
hoch. Die Energienotleidende Menschheit beginnt den Bau gigantischer Sonnenkraftwerke, gegen die Rufe des
einsamen Mahners, den man zum Mond schickt um ihn loszuwerden. Von da muss man ihn zurückholen, da er der
Einzige ist, der das Projekt retten kann. Indem er es aber rettet, sorgt er auch für sein Scheitern. Die
Aufhebung der Schwerkraft, die hier zur alternativen Energieerzeugung genutzt wird, nimmt Branstner als Anlass
für die These, dass jegliche Wissenschaft nur eine bestimmte Stufe der Treppe zur Physik, jede
Gesellschaftswissenschaft eine Stufe der Treppe zur Ästhetik darstellt.
Und mit der Feststellung, das nach der physikalischen Schwerelosigkeit die ästhetische Schwerelosigkeit den
endgültigen Zweck des Menschen benenne, endet das Buch mit genau jener unfasslichen komischen Verwirrung, deren
Auswirkung ein tiefes Grinsen im Gesicht des Lesers ist.
Man kommt nicht umhin, einen großen Anteil der Wirkung dieses Büchleins in den großartigen Illustrationen von
Horst Bartsch (1926 - 1989) zu sehen. Verspielt und filigran, zumeist auf zwei Seiten verteilt, unterstützen sie
das Unwirkliche der Lügengeschichten und setzen sie zum Teil auf einer bildlichen Ebene fort, die nicht einfach
surreal ist, sondern darüber hinaus mit frappierender Einfachheit Spaß machen.
Eine derartige Verbindung von grafischer Ausstattung und literarischem Inhalt ist selten geworden. Umso schöner
wird dieses kleine bibliophile Schätzchen: Vom Himmel hoch.
1 Branstner, Gerhard: Vom Himmel hoch. Das Neue Berlin, 2. Auflage 1975, S.26
2 Branstner: Himmel, a.a.O. S. 79
3 Branstner: Himmel, a.a.O. S. 98
4 Branstner: Himmel, a.a.O. S. 170
5 Branstner: Himmel, a.a.O. S. 180
Im zweiten Band seiner Xanth-Reihe gönnt Piers Anthony dem Leser keine Atempause.
Bink, durch die nahende Niederkunft seiner Frau Chamäleon und deren damit verbundener "Unpässlichkeit"
leicht fehlplaziert, befreit eine hübsche Gespenstin aus seiner untoten Lage und kann nur knapp dem Dank, einem
Rendezvous mit ihr, entgehen. Das heißt, er begibt sich auf die Suche nach der Quelle der Magie von Xanth.
Ihm zur Seite stehen der Zentaur Chester und der Soldat Crombie. Letzterer wird der Bequemlichkeit halber in einen
Greif verwandelt. Unterwegs schließt sich ihnen noch der gute Zauber Humfrey mit seinem Übersetzergolem Grundy
an.
Piers Anthony hat keine Mühe eine bunte und exotische Welt voller Wunder zu beschreiben. So stürzt sich ein
Rammbock auf die Heldenparty, wird auf einer Bühne mit einer echten Zauberflöte gespielt, wird einem
vegetarischen Oger in Herzensangelegenheiten geholfen - der übrigens dem Oger Shrek durchaus als Vorbild gedient
haben könnte, werden Probleme von Sirenen und Gorgonen besprochen und in vorderster Front die große Frage
behandelt: Was stimmt nicht mit Frauen?
Denn darum geht es in erster Linie. Unsere Männerparty muss sich durch die diversesten Anfechtungen
hindurchkämpfen, stets von weiblicher Lust, Leidenschaft und Diktatur gequält. Es mag eine Welt der
Männerphantasie sein, vielleicht findet auch nur ein Mann das neckische Treiben amüsant, jedoch dient Piers
Anthony in diesem Buch eindeutig Aphrodite und nicht Ares.
Interessant ist aber Anthonys Umgang mit den Figuren. Jede ist eigen und völlig unterschieden von den anderen.
Er gibt sich als Beobachter der Szenen, die dadurch natürlich und unbefangen wirken. Für den Leser ist es
zwar zum Teil etwas verwirrend, wenn eine Antwort von der falschen Figur kommt und damit der Zusammenhang fehlt.
So schafft Piers Anthony beständig aberwitzige Situationen, immer kurz davor der Kontrolle zu entgleiten, aber
mit eleganter Meisterschaft geht der Pfad der Geschichte seinem Gipfel entgegen und natürlich auch wieder hinab,
denn Piers Anthony hält die Spannung nicht allein durch Action aufrecht, sondern vor allem durch die
Beziehungskisten. Der Seifen-Oper Effekt nährt also nicht nur Harry Potter und betreibt das Rad der Zeit, nein,
es ist ein viel genutztes Mittel, um nach dem Happy End noch weiter zu machen.
Xanth 2 ist lesenswert. Komischer und auch auf seine Art lebensnaher noch als Band 1 der Saga und, wie nicht anders
zu erwarten, durch Ralph Tegtmeier kongenial ins Deutsche übertragen.
Die deutsche Erstveröffentlichung im Bastei Lübbe Verlag wird geziert von einer belanglosen
Titelillustration, die rein gar nix mit dem Buch zu tun hat, aber da hat der Verlag später hinzugelernt.
Der Gotenkönig Hygelac hört von einem schrecklichen Ungeheuer, welches die berühmte
Halle Heorot, die der Dänenkönig Hrothgar bauen ließ um seine treuen Kämpen angemessen
beherbergen zu können, Nacht für Nacht aufsucht und die besten der dänischen Kämpfer
zerfleischt.
So schickt der Gote fünfzehn seiner kühnsten Streiter aus, in der Fremde ihren Mut zu
beweisen. Der Stärkste von ihnen ist Beowulf.
Er stellt sich dem Untier Grendel und später dessen Mutter und besiegt beide. In späteren
Jahren, als Beowulf bereits das Gotenreich führt, stellt er sich einem fürchterlichen
Drachen, um Land und Leute zu schützen, wie es seine Fürstenpflicht ist.
In den Gesängen erfahren wir mehr über die vergangenen Tage der Goten, wie der Dänen,
öffnet sich uns ein großes Tor in die verdunkelte Höhle des frühen Mittelalters.
Beowulf hat im englischen Sprachraum eine überwältigende Bedeutung und wird stets verglichen
mit dem Rolandslied und den Nibelungen. Das Gedicht ist um 500 in Skandinavien entstanden und heute in
einer Abschrift aus der Zeit um 1000 erhalten. Durch einen Brand beschädigt liegt die Handschrift
heute im Britischen Museum.
Der Kampf gegen Grendel, ohne Waffen und Rüstung, hat die Fantasie der Menschen bis heute
angeregt, so etwa in der Star Trek Voyager Folge Heroes & Demons, in der der Holo-Doc gegen den
Dämon antritt.
Klett-Cotta verwendete für seine Ausgabe die deutsche Übersetzung von Georg Paysen Petersen
von 1901, der an vielen Stellen versuchte, den Stabreim des altenglischen Originals zu erhalten.
Leider ist dem Buch nicht zu entnehmen, wie vollständig die Ausgabe ist.
Auch wäre es für den deutschen Leser besser gewesen, etwas über die deutsche
Übertragung zu erfahren, aber die gibt es nicht von Tolkien.
Dafür aber beschäftigt sich der wohl berühmteste englische Altphilologe mit den
Schwierigkeiten einer Übersetzung vom Altenglischen ins Neuenglische.
Zum Inhalt selbst äußert er sich darin nicht und damit ist das Essay nicht ansatzweise so
nützlich, wie etwas das Essay zum Gawain, den Klett-Cotta
2004 herausbrachte. Zudem fehlt der Teil, in dem sich Tolkien mit dem Versmaß beschäftigte.
Sicher wird der Fantasy-Fan Gefallen am Beowulf haben. Mit dem Tolkien-Essay aber kann nur ein
Philologe oder Mittelalterspezialist etwas anfangen. Einen besseren Zugang zum Text verschafft das
Essay nicht.
Grafisch passt sich die Ausgabe in die Reihe der Tolkien-Werke von Klett-Cotta ein, modern und
ansprechend von Dietrich Ebert gestaltet und illustriert.
Das Buch enthält also einen unvollständigen Beowulf und ein unvollständiges Vorwort
Tolkiens zu englischen Neuausgabe von 1940. Für eine Sparversion ist das Buch mit 15 Euro aber
recht teuer, zumal nach einmaligem Lesen die Klebung versagte.
Wer sich mehr mit dem Beowulf beschäftigen will, wird bei der
Uni
Düsseldorf fündig. Hier gibt es Original und deutsche Übersetzung in drei Teilen,
vorzüglich aufbereitet.
Phantastische Geschichten untertitelte der Mitteldeutsche Verlag 1985 die fünf kurzen Texte. Damit der Leser
ob dieser Einordnung nicht all zu sehr verwundert bleibt, beschäftigt sich der letzte Text, Was ist Utopie? -
Versuch einer Entwirrung auch mit der Begrifflichkeit des Phantastischen, der letztendlich hinter dem Untertitel
steht:
"In der phantastischen Utopie (ob nun gesellschaftliche, technische oder verfremdende) wird wie im Märchen das
Unmögliche möglich, tritt an die Stelle des Glaubhaften das Zauberhafte."
1
Für Branstner ist das Phantastische die Opposition zum Realen, funktionieren phantastische Geschichten aber nur,
wenn sie "ihre Bezüglichkeit, die wirkliche historische Logik als Maßstab unterstellen."
2
Mit diesem Anspruch versucht der Autor seinen Geschichten neben dem ihm wichtigen Humor auch den Ernst der
realistischen Gegenwartsspiegelung einzuhauchen, was umso schwerer fällt, je weiter sich diese Gegenwart vom
Zeitpunkt des Lesens entfernt.
Dieses Problem ist vielen Satiren eigen.
Die sterbende Frage ist die Frage der Bescheidenheit. Dieser witzige Text nimmt verschiedene Phrasen aus der
Sicht der personifizierten Frage auf die Schippe und ist trotz einiger DDR-Begrifflichkeit, etwa dem Betriebsleiter,
zeitlos aktuell.
In Der negative Erfolg geht es um den Versuch, das menschliche Gedächtnis zu verbessern, so dass er sich
an alles zu erinnern beginnt. Da der Mensch aber auf Verdrängung und Schönfärberei angewiesen ist, um
mit sich selbst klar zu kommen, misslingt das Experiment. Natürlich endet die Geschichte bei Branstner mit einem
Lachen. Sie erscheint zunächst umständlich und dem Zeitgeist geschuldet, das Institutswesen der DDR war
etwas sehr eigenes und wird hier als bekannt vorausgesetzt. Dennoch ist diese Kurzgeschichte das Schlüsselwerk
zu Branstners "Anpassungstheorie". Besonders die Anpassung des Menschen an die Notwendigkeit auch Emotionen nicht als
wahre Erinnerung zu speichern, sondern im Gefühlsgedächtnis abzuschwächen, ja sogar umzubiegen,
gehört für den Autor zu einer elementaren Erweiterung der darwinschen Entwicklungstheorie. So wird im
Idealfall Schmerz zu Heiterkeit.
Die bedeutsame Frage Wer hat denn nun den Einbrecher erschossen? wird zwar nicht beantwortet und so recht
erfährt man auch nicht, warum der skurrile Familiennachmittag Auskunft über das Jahr 2000 geben kann, aber der
Autor präsentiert hier ein deutliches Beispiel, wie ungenau und letztendlich altmodisch Utopie in der DDR sein
konnte.
Die kulturellen Auswahlmöglichkeiten, Theater, Fußball, Museum und letztendlich Fernsehen weisen nicht gerade in
eine veränderte Zukunft, sondern atmen eher den statischen Mief einer Gesellschaft, die zu Veränderungen
nicht fähig ist, weil ihre Menschen keine Visionen haben.
Dieses biedere Bürgertum stellt für Branstner den Ausgangspunkt einer Reise zu einer Gesellschaft dar, die
ihre Kraft aus einer fröhlichen Lockerheit zieht, eben mit der branstnerschen Heiterkeit Probleme löst.
Die Stadt der Letzten ist eine polemische Auseinandersetzung mit dem feindlichen Gesellschaftssystem. Durch
die Wirklichkeit in ihrer Treffsicherheit arg mitgenommen, bleibt ein eher schaler Geschmack zurück, wenn man die
doch recht eindimensionalen Personen betrachtet. Aus einer Position des Siegers geschrieben, werden Klischees zum
Kapitalismus bedient, Religion verhöhnt und scheinbare gesellschaftliche Logiken entworfen, die heute wie
Anschauungsmaterial plumper Demagogie wirken. Branstner entwickelt hier ein Umerziehungskonzept für
gesellschaftliche Außenseiter, dass ohne Gewalt auskommt. In dem Tagediebe, Beamte und sonstige Schmarotzer gezwungen
werden, durch das Fehler der Arbeiter, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen, transformieren sie, wenn
auch nicht gleich zu Arbeitern, so doch aber zu nützlichen Mitgliedern der Gesellschaft. In Branstners
Gesellschaftsverständnis ist nicht die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen das Schlimmste, sondern das
Verwalten von Menschen durch Menschen.
Interessant an dieser Geschichte über die Stadt der letzten Kapitalisten, ist zudem das Gespräch, in deren
Verlauf sie erzählt wird. Der Rahmen zeigt das heitere Geschick des Autors, mit Logik Pointen zu kreieren.
Die Erde als Museum, das man in Zu Besuch auf der Erde aufsucht, um etwas über ausgestorbene Wörter
wie Krieg und Frieden zu erfahren, ist schon eine sehr außergewöhnliche Idee. Das damit die Geschichte selbst in
ihrer politischen Intention zum Museumsstück wird, ist zumindest solange skurril, wie die gesellschaftliche
Entwicklung einer geistigen Weiterentwicklung des Menschen hinterherläuft. Die optimistische Vision Branstners
ist nur etwas visionärer geworden, aber nicht unsympathischer.
Das Büchlein wird beschlossen von dem bereits erwähnten literaturtheoretischen Essay über Was ist
Utopie - Versuch einer Entwirrung. In fünf Abschnitten seziert Branstner mit der ihm eigenen Logik die
Begrifflichkeit. Zunächst beweist er, dass die eigentliche Utopie anders ist, als Utopien in anderer Literatur.
Der nächste Beweis verknüpft Utopie mit der Zukunft ohne dies zum ausschließlichen Kriterium zu machen. Im
nächsten Schritt werden die Formen der Utopie definiert und als formbar bestimmt. Anschliessend wird das Wesen
der Utopie um die Kraft erweitert, dem Leser Kraft "die notwendig ist, für den Kampf um die Verwirklichung des
Möglichen"
3
zu geben. Wodurch quasi jedwede gute Literatur utopisch wird. Im letzten Schritt wird die Funktion der Utopie als
Erweiterung der Literaturfunktion erklärt. Was aber Erweiterung des einen ist, macht es zu seinem Bestandteil,
womit gute wie schlechte Literatur zur Utopie wird.
Dieses kleine Textlein ist nicht nur hirnvermanschend im amüsanten Sinne, es enthält natürlich genau
jenes Quentchen Wahrheit, das Branstner verwirrend in die Entwirrung hineinrechnete. Nun wissen wir auch, was der
Autor davon hält, in diesem Bändchen Phantastische Geschichten untergebracht zu haben.
Natürlich ist Branstner der größte aller Logiker.
Durch die übertreibenden, aber textintensiven Bilder von Ioan Cozacu wird das Buch aufgelockert und zu einem
kleinen Schmuckstückchen, wie sie heute aus Kostengründen kaum noch entstehen.
Alles in allem ist Der negative Erfolg eine anregende Lektüre, die zwar einen Blick in die Zukunft wirft,
aber einen genauso großen Blick in die Vergangenheit verschafft.
1 Branstner, Gerhard. Der negative Erfolg. Mitteldeutscher Verlag Halle Leipzig, 1982, S. 133
2 ebenda
3 Branstner: Erfolg, a. a. O., S. 134
Das umfangreiche Fantasy-Epos Das Rad der Zeit (RdZ) erhält eine Vorgeschichte. Soweit
die Pläne des Autors sich nicht ändern, ist "Der neue Frühling" der Beginn einer Trilogie,
die uns von den Ereignissen vor Rand al’Thors Abenteuern berichtet. Allerdings will Robert Jordan die
beiden anderen Prequels erst nach dem Erscheinen des letzten RdZ Bandes (Nummer 12 in der
amerikanischen Originalausgabe) schreiben.
So begleiten wir im ersten Buch Moiraine Damodred und Siuan Sanche auf ihrem Weg von Aufgenommenen in
der weißen Burg bis zum Erhalt der Stola einer Aes Sedai. Wir erleben den Beginn der Suche Moiraines
nach dem Wiedergeboren Drachen und ihre Begegnung mit Lan Mandragoran. Der Aiel-Krieg, die
Prophezeiung über die Wiedergeburt des Drachen, der endgültige Untergang Malkiers, die
Vorgeschichte zur Besteigung des Sonnenthrones von Andor durch das Haus Trakand, ja selbst der
Ursprung des Hasses von Elaida a’Roihan auf Siuan sind Themen dieses Buches.
Jordan hat im Laufe der Zeit Unmengen loser Stränge in seinem Gewebe geschaffen, dass er kaum
Mühe hat, genug Erzählenswertes zu finden.
Moiraine und Siuan bei der Ausbildung zu erleben, ist spannend und interessant in Anbetracht ihrer
späteren Rollen und erinnert stark an Egwenes und Nynaeves Aufenthalt in der Weißen Burg. Gerade
Siuan bildet Jordan nun so ab, wie sie auch in der Hauptserie zum Schluss ist. Er verschafft sich
damit eine größere Figurenkontinuität. Schwerer fällt es ihm bei Moiraine, deren
Ähnlichkeit mit Elayne enttäuscht. Jordans Frauenzeichnung ist sehr eigen, in der Masse auch
zunehmend langweilig. So schläfert er den Leser in einigen Aes Seadai Kapiteln erneut mit
dutzenden Frauenbeschreibungen ein. Bei jedem Frauennamen fragt man sich frustriert, wer ist die nun
schon wieder und sehr schnell verliert man den Überblick.
Zum Glück gibt es in der Vorgeschichte keine Weisen Frauen, Cousinen oder Windsucherinnen und so
bleibt dies die einzige Länge in dem Buch.
Beachtenswert ist die Schilderung Lans, der hier den männlichen Hauptfigurenpart übernimmt.
Er wird interessanter und deutlicher als im Hauptwerk ausgearbeitet und es ist zu erwarten, dass
Jordan dies auch in die Figurenzeichnung dort übernehmen wird. So tief konnten wir bisher nicht
in das Herz dieses stillen Mannes blicken.
Für die anderen Nebenfiguren lassen sich schnell Parallelen zu anderen RdZ Figuren finden, eine
wirkliche Neuerfindung gelang Robert Jordan nicht.
Piper setzt mit "Der neue Frühling" nicht die üble Verfahrensweise von Heyne fort, ein Buch des
Originals in bis zu vier deutschen Bänden über zwei Jahre verteilt zu
veröffentlichen.
Allein dadurch liest sich dieses Buch deutlich besser als manche RdZ Bände (etwa Band 16 -25 der
Heyne-Ausgabe). Jordan geht mit seiner Handlung schnell und zügig voran und bleibt dennoch dem
typischen Rad der Zeit Flair treu. Er schöpft aus dem Vollen, an vielen Stellen spürt man
die Absicht des Autors, so viele Bezüge wie nur möglich zum Hauptwerk herzustellen. Sie
geraten zum Teil lexikonhaft und sind damit zur Auffrischung, als auch zum Einstieg sehr geeignet.
Erneut enttäuschend ist die Covergestaltung von Piper. So wird das Titelbild von Darryl Sweet auf
der linken Seite abgeschnitten. Der treue Bukama verschwindet somit vom Cover, obwohl auf der rechten
Seite des Bildes genügend freier Platz zum Abschneiden gewesen wäre. Die hässliche
Titelbauchbinde, die Piper seinen Fantasy-Paperbacks verpasst, ist genauso gedankenlos platziert, wie
das stilistisch dazu überhaupt nicht passende Logo der deutschen RdZ Ausgabe. Warum sich Piper
zudem entschied, diesem Band die Nummer 29 zu verpassen, ist wohl müßig zu spekulieren. Wie
bereits eingangs erwähnt erscheinen die beiden anderen Teile der Trilogie erst nach den noch
nicht in Deutsch vorliegenden RdZ Bänden 11 und 12. Somit steht dem Leser in Band 30 der
deutschen Ausgabe ein gewaltiger Zeit- und Handlungssprung bevor.
Die Übersetzung von Andreas Decker ist gewohnt überzeugend. Da er seit Band 24 die RdZ
Bände übersetzt, sind keine Brüche in den Begriffen oder in der Stilistik der
Übertragung zu beobachten.
"Der neue Frühling" ist kein Höhepunkt der Fantasy-Literatur und auch eher für Fans der
Serie interessant, aber innerhalb dieser ist es eine Besinnung auf die erzählerische Stärke
der Anfangsbände.
Last updated: 07.03.2006 14:20
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