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Tajan Schreiblümchen Om Ba Ket Glossar

Angst. Alles in ihr und alles ringsumher war Angst.
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Sie war ganz plötzlich da gewesen. Es gab kein Vorher, keine Gefühle keine Fragen. Die Angst war schmerzhaft. Ihr erstes und einzigstes Gefühl.
Aber sie konnte es benennen, das wurde ihr klar. Sie kannte die Namen vieler Dinge.
Und es war ein Schreien, das in ihren Ohren erklang. Ihr fürchterliches, ängstliches Geschrei.

Sie war in ihrer Jugend viel zu alt, doch es war nicht mehr wichtig, als sie die Augen aufschlug.
Aber sie sah nichts.
"Sie hat aufgehört!", sagte jemand aufgeregt neben ihr.
Sie spürte eine bedenkliche Nähe.
Ein Tormensch.

Ihre Augen gewöhnten sich nur langsam an das Licht, aber mit all ihrem Empfinden saugte sie sich an den Augen des Tormenschen fest, der sich überrascht und sorgenvoll über sie beugte.
Seine Augen waren explodierende Quasare, deren Frequenz sie fast zerspringen liess.
Es war furchtbar falsch, und sie konnte gar nichts dagegen tun.

Jeder noch so wundervolle Plan war bei seiner Schaffung schon veraltet. Und der Plan ihrer Existenz war soeben gestorben.

"Ich werde Dich Schreiblümchen nennen!", sagte der Tormensch plötzlich.
Es war nicht ihr Name, aber sie liebte ihn.
"Und Du?", fragte sie.
"Oh!" Er setzte sich hin.
Aber sofort hellte sich sein Blick mit einem Grinsen auf.
"Du bist das wundersamste Körnchen aller Zeiten," und sie neugierig betrachtend fuhr er fort:
"Und Du kannst reden!", und mit einem Fingerzeig auf sich, "Na klar - ich bin Tajan!"
"Aber," fügte er mit allem Schalk der Welt hinzu, "ich bin nicht Dein Vater!"

Sie begann sich vorsichtig zu bewegen. Ihr Körper war ihr noch fremd, doch sie spürte, wie ihr die Zehen und Finger langsam zu gehorchen begannen. Nacheinander probierte sie jeden Muskel aus. Und es gefiel ihr, von ihm dabei beobachtet zu werden.

"Oh!", liess er sich erneut vernehmen.
"Hast Du Hunger oder Durst und was zum Anziehen brauchst Du auch!"
Etwas fahrig sprang er um sie herum und versuchte aus dem Pflanzengewirr grosse Blätter hervorzuzerren.

Sie schaute ihm zu und begann sich zu fragen, was passieren würde.
Den Hunger trotz vorhandener Nahrung zu beherrschen, ist ein so brutales Vergehen gegen die Natur, das dieses Verbrechen nur von denkenden Kreaturen verübt wird. Mag es auch unterschiedlich sein im Universum. Aber der bewußte Verzicht auf etwas Lebensnotwendiges, ist ohne Bewusstsein nicht durchführbar.
Vielleicht ist dieses Handeln aber auch gar nicht Ausdruck von Intelligenz.
Aus Liebe sterben...
Ich werde nicht sterben. Vielleicht nicht.
Der Tormensch Tajan hatte einige Riesenblätter zusammengeklebt und hielt ihr nun eine Art Umhang hin.
Sie nahm ihn:
"Danke!"
"Ist nur improvisiert, zu Hause wird Dir Latta schon was passenderes geben. Sie ist meine Mutter", fügte er etwas zögernd hinzu.
"Ich weis gar nicht, wie ich das jemand erklären soll."
Die Blätter des Umhanges fühlten sie angenehm kühl auf ihrer Haut. Er roch leicht nach dem Tormenschen.
Sie umhüllte sich.
"Ich möchte zum Kelch."sagte sie. Der Tormensch reagierte erstaunt.
"Kaum geschlüpft schon zum Kelch! Was bist Du?" Nun schien doch etwas wie Angst in ihm aufzusteigen. Sie wollte das nicht.
Ihre Hand berührte ihn sanft. "Ich weiss es nicht. Der Kelch," sie stockte und blickte an ihn vorbei in die bunte Landschaft.
"Er ist wichtig für mich." Die Wahrheit.
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Last updated 11.06.2003