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Hier findet sich ein kleines Tagebuch über von mir gelesene Bücher.Im zweiten Teil der Erinnerungen von Pierre-Emanuel de Siorac geht es in erster Linie um die Darstellung Ludwig XIII. Vom
umsorgten Dauphin, der nach dem Mord an seinem Vater Henri Quatre unter der ungeliebten Regentschaft seiner Mutter Maria von
Medici, qualvolle Jahre der Unmündigkeit durchstehen muss, während sein Land von spanischen und päpstlichen
Getreuen geplündert wird, etwa durch Concino Concini, Marqis D'Ancre, der durch Maria in allem gefördert wird.'
Das Fehlen eines starken Sovereigns führt zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen, als die übrigen
großen Fürsten Frankreichs versuchen, die Gunst der Stunde zu nutzen, um selbst der Krone näher zu rücken.
Pierre-Emanuel kann sich durch Zufall in den Staatsdienst einkaufen und als ein Erster Kammerherr seinem größten
Wunsch nachgehen, nämlich Ludwig zu dienen. Als einer der wenigen Königstreuen in der Umgebung des Monarchen, der in
Reims gekrönt wird, muss sich Pierre-Emanuel äußerst vorsichtig bewegen, um nicht in die Schusslinie der anderen
Parteien zu gelangen.
Auf der anderen Seite zieht ihn die Liebe zu Ulrike von Lichtenberg in beständige Herzensnöte.
Robert Merle verfolgt das Erwachsenwerden der beiden Jungen mit großer Sympathie und Leidenschaft. Eingebunden in einen
barock überfüllten Hintergrund voller geschichtlicher Details, von einfachen Dingen wie die Verwendung von
Haushaltsgeräten bis hin zur politischen Analyse, geht Merle seiner Mission nach, ein lebendiges und buntes Frankreich zu
präsentieren, wie es sich zu Beginn der absoluten Monarchie zeigte.
Dabei richtet er sein Augenmerk auf die psychologischen Motive seiner Figuren gleichermaßen, wie er ihre gesellschaftlichen
Bezüge berücksichtigt.
So untersucht er etwa Marias Unvermögen, den Staat zu lenken ebenso, wie die frühe Verstohlenheit Ludwigs, mit der er
seine Machtübernahme plant und inszeniert. Dabei glänzt Merle mit erstaunlichen Perspektiven.
Die spanische Doppelhochzeit erscheint bei ihm nicht nur als politisches Kalkül, sondern auch als fürchterliche
Demütigung für Ludwig, der seine geliebte Schwester an den Erbfeind verliert. Maria als Mutter beider, stellt Merle in
ihrer Kühle dar und betont ihre Unfähigkeit zu lieben als eine jener Umstände, die Ludwigs Charakter formten.
Damit wird Das Königskind zu einer eindrucksvollen Persönlichkeitstudie jenes Monarchen, den wir aus den Drei
Musketieren so ganz anders in Erinnerung haben. Auch über Richelieu erfahren wir näheres. Wie er sich vom geschickten
Redner und spanienfreundlichen Kleriker der letzten Generalstände zum klugen Wendehals entwickelt, der als heimlicher
Beobachter Ludwigs in den Dienst als Berater der gestürzten Königinmutter tritt.
Die Fülle an Persönlichkeiten, Orte und Ereignissen bilden bei Merle eine sehr lesenswerte Einheit, die im Gegensatz
zum Vorgänger Der wilde Tanz der Seidenröcke, stimmungsvoller und vor allem überzeugender ist, da Merle nun auch
Erklärungen für die fast hündische Ergebenheiten Sioracs seinem König gegenüber liefert.
Fazit:
Ohne Zweifel ist "Das Königskind" ein besonderes Glanzstück innerhalb der Fortune de France. Neben einer gleich
bleibend niveauvollen Sprache, reich bebilderten und vielfältigen Hintergründen offeriert Robert Merle ein
faszinierendes Portrait Ludwig XIII.
Nach nur wenigen Seiten hängt man schon mitten drin in Mievilles Bas Lag Welt.
Natürlich nur, wenn man vorher schon etwas davon gelesen hat, wie ich etwa Perdido Street Station, das erste Buch Mievilles,
das in New Crobuzon spielte.
Insofern ist das Lesen ein angenehmes Eintauchen in eine sehr bunte, dichte und auch chaotische Welt, die deutlich anders ist als
unsere und auch weit exotischer als eine Mittelalterwelt mit Zauberern.
Mieville macht es seinen Leser nicht leicht. Große Teile des Buches wirken recht krude, da sie zu einem Zeitpunkt im Buch
auftauchen, wo ihre Bedeutung unklar ist und sie den Leser zunächst gar nicht interessieren, etwa Judahs Lebensgeschichte.
In der Figur des Judah wird auch gleich eine zweite Leseschwierigkeit deutlich, nämlich die symbolische Überladung. Eine
Art Messias mit solch Namen, das wirkt sehr verkopft.
Wesentlich interessanter ist da das Treiben in New Crobuzon, da hier Hintergrund und Einfallsreichtum gigantisch sind. Mieville
erschüttert wieder einmal die politische Situation der Stadt auch wenn sich dadurch an der morbiden Atmosphäre
wenig ändert.
Der Eiserne Rat (Iron Council - IC) ist ein Lesegenuss. Das betrifft Sprache (hier auch Lob an die Übersetzerin, trotz
der Rüschen), als auch Ideenreichtum. Mieville hat seinen eigenen Barock noch opulenter gestaltet und verziert.
Thematisch grenzt der Autor seinen Leserkreis weiter ein. Definitiv ist IC kein Abenteuer- oder Phantastik-Roman aus der
Mainstream Abteilung, eher fundamental wie Farmers Flusswelt.
Die gescheiterte "Revolution" und ihr Symbol sind wesentliche Schlüssel des Romans. Dialektisch wäre es dann sogar, hier
Marx als eiserner Rat anzusehen, von der metaphorischen Bedeutung der Eisenbahn selbst, als das Symbol des Marx bekannten
Kapitalismus, mal abgesehen.
So gesehen schaufelt Mieville hier tief in der Geburtssuppe der kapitalistischen Gesellschaft. Die Stadt bleibt im Buch permanent
resistent. Mieville sieht auch keine neue Gesellschaft. Der Eiserne Rat, als quasikomunistische Räterepublik, weicht ebenso
dem äußeren Druck, wie die junge Sowjetrepublik und wird eingefroren, bevor sie korrumpiert werden kann und sich
entartet.
Keine Zukunft außer dem Gewesenen.
Das alles drückt die Stimmung zusätzlich. Judah, der sich gottgleich fühlt, scheitert wie sein thematischer Vater.
Sein Golem aber konserviert. Dass damit die Zerstörung aufgehalten oder verhindert wird, ist ebenso ambivalent, wie
trügerisch.
Ein undefinierbarer Quantenzustand der Geschichte vielleicht. Doch für die Handlungsgegenwart völlig bedeutungslos. So
oder so ist der Aufstand zu Ende.
Die Frage bleibt, ob es hier tatsächlich um eine Revolution ging. Das Aufbegehren der Massen als eine Reaktion
unterdrückter Klassen zu definieren, erscheint mir hier so nicht ganz einfach zu sein.
Ähnlich der Situation 1918, überfrisst sich ein imperialistischer Staat und reduziert sich wieder auf eine gesundere
Menge. Die Unzufriedenen, die wieder mal nichts zu verlieren haben, als ihre Ketten, unterliegen in einem Kampf, der eher einem
Bürgerkrieg gleicht, als dem Ringen um eine neue Gesellschaft.
Wer herrscht denn in NC? Torro beweist blutig, dass es nicht die Bürgermeisterin ist. Die Spitze ist austauschbar.
Die großen Firmen herrschen, die Miliz herrscht und es herrscht die Moral, der Codex der Stadt.
Das Bürgertum steckt viel zu tief in allen Teilen der Stadt, die klassische Arbeiterklasse oder die sklavenähnliche
Remadeklasse, sind auch bei Mieville nicht in der Lage Staat zu machen. In der Führungsriege der Bewegung finden sich
Intelligenzler, Gewerkschaftler und Priester.
Das beweist mir, dass hier keine Revolution stattfindet, sondern weiter nichts als ein Machtverteilungskampf innerhalb des
bürgerlichen Systems. All das, was den Kapitalismus ausmacht, wurstelt weiter am Mehrwertbeschaffungsstreben.
Der Eiserne Rat wäre wie ein Tropfen Öl in die Flut gekommen. Zu wenig um die Wogen zu glätten und irgendwann
verdaut von gierigen Bakterien.
Die Kritik am Mievilles Buch befasst sich mit der These, ob ein Autor tatsächlich ein gutes Werk vollbringt, indem er
Komplexität über Inhalt stellt.
Die einen mögen solch ein intellektuelles Puzzle, die anderen mögen es genau aus dem Grunde nicht.
Natürlich ist IC keine blaubemalte Leinwand, die durch einen diffusen theoretischen Hintergrund zum Kunstwerk wird. IC ist
für mich einfach eine Freude.
Vielleicht vergleichbar mit "Sperling". Die Handlung steht einfach gar nicht im Vordergrund.
Wie gesagt, genau das kann man dem Buch vorwerfen. Das aber ist legitim und besser, als die Frage, wer mit wem und warum dann doch
nicht.
Der unbedarfte Freund der utopischen Literatur mag erstaunt sein, wenn man liest, dass Bernd Ulbrich zu DDR-Zeiten unter einem
Veröffentlichungsverbot stand.
Störgröße M und Der unsichtbare Kreis stehen doch wie selbstverständlich im Bücherregal.
Doch schaut man auf die Erscheinungsdaten, 1977 und 1980, erkennt der nun wachsamere Leser, dass da tatsächlich ein
großes Loch klafft. Die Taschenbuchausgabe der Störgröße M in der Reihe SF-Utopia erschien 1990. Dem Jahr 1
der Neuen Deutschen Republik.
Der Leser muss das nicht wissen, um "Flam" erleben zu können. Er wird es spüren, erraten und wissen, dass nur jemand so
darüber schreiben kann, der es ertragen hat.
"Flam" ist ein Buch, dessen unterschiedliche Sphären voller Persönlichkeit stecken. Und das Besondere daran ist, dass
dem Buch jegliche Rechthaberei oder Gehässigkeit fehlt.
Trotz aller Schärfe in der Beobachtung, in den Analysen und Sektionen, ist "Flam" eine Anbetung der Liebe.
Der Romantiker nimmt es als Essenz, der Realist sieht dahinter einen konsequenten dramaturgischen Aufbau, der bei den
Theatererfahrungen Ulbrichs zu erwarten ist.
Doch so leicht lässt sich das Buch nicht kategorisieren und es ist sogar unmöglich. Ulbrich webt seinen Stoff nicht zu
einem bunten Tuch, vielmehr gehen seine Fäden in alle Dimensionen, berühren uns scheinbar zart und bilden doch einen
festen Strang quer durch Alles.
Die Handlung ist dicht, ohne dass es der Leser sofort merkt. Ulbrich bricht sie immer wieder an den Gedanken seiner Figuren. Von
Beginn an sind Handlung und ihre Reflexion eins. Das macht es schwer einzudringen. Doch hat man die nachgiebige Trennschicht
überwunden und beginnt, den Gefühlen und psychologischen Verästelung des Geistes nachzuspüren, kommt man gar
nicht mehr los, vom Stoff so wenig, wie von den Charakteren.
Roberts Isk und Doktor Hubert Flamberger sind dabei, als an der Bornholmer Straße der Vorhang für den Schlussakt der
DDR fällt. In einem lebensgefährlichen Wirbel aus Gewalt, Mob und Wunderwünschen, erleben die beiden eine
nächtliche Berliner Odyssee, die den Rausch des geschichtlichen Höhepunktes widerspiegelt. Ulbrich nimmt den Leser mit
auf eine kleine Zeitreise, ruft Erinnerungen wach, verteilt mentale Souvenirs ohne auch nur ansatzweise eine Historie der
Ereignisse erstellen zu wollen. Mit Visionen und Wundern durchsetzt ist Ulbrichs Darstellung eine glasklare Analyse, ohne Pathos,
ohne Verklärung.
Später erfährt der Leser, dass Robert Jahre vor dem Zusammenbruch der DDR, sich genau diesen erwünscht hat. Flam,
der das Bewusstsein des Marquis de Charonne, Jean-Louis Flamery, darstellt, der vom Höchsten Wesen in den toten Körper
Flambergers versetz wurde, 200 Jahre nach seiner Enthauptung durch das Pariser Volk - dieser französische Edelmann im Leib
des Inoffiziellen Mitarbeiters der Stasi, hat sich vom Höchsten Wesen drei Wünsche täglich ausbedungen, als
schmaler Trost für die Rückkehr ins menschliche Jammertal. Roberts bierseeligen Wunsch, gab er weiter und nun also
zerfällt der Staat der Arbeiter und Bauern.
Flam erlebt erneut die Mysterien einer Revolution. Die Situation zu Beginn des Romans erinnert an Aufruhr der Engel von
Anatole France.
Doch Ulbrich hat neben die vielschichtige Untergangsstimmung eine viel stärkere Macht gestellt: Die Liebe.
In fast größerem Umfang ist "Flam" nämlich ein Buch über die Liebe. Sie bestimmt nicht nur die Handlungen der
Menschen, auch das Höchste Wesen, die Entität, der Flam seine Wiedergängerei verdankt, spielt jenes himmlische
Spiel. Die wahre Liebe, ein Geheimnis, dass uns umtreibt, der man verfällt und die uns Schmerzen über alle Maßen
zuzufügen vermag, ist das große Thema von Bernd Ulbrich.
Dabei entfaltet das Buch eine unglaubliche Kraft. Die Intensität, mit der Ulbrich seine Liebe erfindet und mit ihr Seite um
Seite füllt, überträgt sich auf den Leser. Die kalte Zeit des Winters beginnt den Frühling zu atmen. Dabei
schmilzt Ulbrich mit seinen Lesern nicht dahin, Kitsch ist im gesamten Roman nicht zu finden, vielmehr sind es kraftvolle
Sequenzen, Monologen eines Theaterstückes gleich, die das Innenleben der Figuren beleuchten und offenlegen.
Der gestürzte ZK-Mitarbeiter Münzpeter, der nun fädenziehender Pförtner eines Westberliner Theaters ist, die
junge Schönheit, die Ornella Muti ähnelt und dabei ist, ihre Anforderungen an ihr Leben neu zu setzen, die
Osttheaterleute, denen ein Weg zwischen Kunst und Kommerz versagt bleibt und viele weitere Geschichten um Figuren, die sich am
Leben messen und immer wieder über die Liebe stolpern, im Guten, wie im Schlechten.
Denn da ist auch Louise. Roberts große Liebe, die im Schatten egoistischer Mächtiger, überdauert, die Opfer
fordert und darüber hinaus ausstrahlt. Wenn Louises Versuch, in die DDR zurückzukehren scheitert, beginnen unbeteiligte
Menschen Mitgefühl und Liebe zu entdecken.
Zwischen den intriganten und korrupten Zeitgenossen findet Ulbrich Menschen, deren Liebe Veränderungen gebiert.
Zwar verweigert sich Ulbrich reinen Schwarz/Weißmalereien, dennoch bleibt er einer klassischen Ausprägung der
Charaktere treu. Sein Romeo und seine Julia sind die unbestechlich Braven, die der Welt die Zähne zeigen.
So endet dieses große Buch auch groß, mit einem Ende im Anfang, einem Anfang im Ende und es bleibt dem Leser ein
deutlicher Eindruck vom Gestern.
Fazit:
Ulbrichs Leistung mit "Flam" liegt darin, uns eine Zeit zu vergegenwärtigen, die unser Jammern und unser mangelndes
Gedächtnis zensieren. Die Kraft seiner Sprache und das leichte Spiel mit seinen Figuren, sind brillant. Flam oder
Diesseits und Jenseits verdient es sich, ein bedeutendes Werk deutscher Literatur genannt zu werden.
Es gibt solche Momente, da möchte man zwischen den ganzen großen Themen, zwischen Raumschlachten und universalen
Imperien, verschnaufen.
Jack Vance scheint es ähnlich zu gehen.
Myrons Reisen sind die Fortsetzung von "Jenseits der Leere" und Vance weist in einem kurzen Vorwort darauf hin, das er zum
besseren Verständnis und für alle Neueinsteiger die dortigen Geschehnisse in den ersten Teil mit einfließen lies,
wenn auch in gekürzter Form.
So begeben wir uns recht rasant auf die Reise zu einer vergnüglichen Space Opera um das Transportraumschiff "Glicca" und
seiner Besatzung.
Myron ist nicht wirklich die Hauptfigur des Romans, die Suche nach seiner Großtante und seine ferne Liebe Tibbet nehmen nur
wenig Platz ein. Wie gewohnt stehen bei Vance fantastisch ersonnene Völker und Planeten, Namen und Gewohnheiten im Zentrum
detaillierter Beschreibungen.
Zwar gibt es auch Abenteuer zu bestehen, ein böser Bub ist festzusetzen und holde Damen zu befreien. Bei alldem wechselt
Vance aber nicht die Gangart vom besinnlichen Tempo einer Kutsche, mit der man sich in Ruhe die Umgebung anschauen kann.
Die Ideen sind so mannigfach wie vielfältig. Von nomadisierenden Teppichhändlern, miesepetrigen Industriearbeitern mit
dem besten Theater der Oikumene, ultraprüden Touristenplaneten und scheinbaren Jungbrunnen berichtet der Katalog der
Planeten, den Vance seiner Reisegesellschaft zur Hand gibt.
Der Stil ist angenehm anachronistisch, dem frühen zwanzigsten Jahrhundert verpflichtet, voller Höflichkeit und
philosophischer Resonanz, mit dem feinen Geschmack von Ironie und einem weisen Humor, der deutlich das Alter des Autors
durchblicken lässt.
Besonders in den recht langen Gesprächen über Religion und jenem besonderen Gefühl, welches einem die
Erfüllung seiner Herzensträume gewährt, jenes "Lurulu", nach dem jeder auf seine ganz spezielle Weise sucht, zeigt
sich eine Klugheit, der zu folgen es großen Spaß macht, da es Vance nicht an skurrilen Figuren mangelt, darüber
zu diskutieren.
Bastei Lübbe präsentiert das Buch in der selben Gestaltung, in der auch die anderen Vance-Bände der letzten Jahre
veröffentlicht wurden, mit der Unterschrift des Autors als vertikaler Balken neben dem Cover. Für Sammler dieser
Ausgaben sicherlich eine Freude.
Das Titelbild von Bob Eggleton hat allerdings rein gar nichts mit dem Inhalt des Bandes zu tun und verspricht im Gegenteil dem
Leser etwas, was Jack Vance gar nicht versprechen wollte. Ebenso verwunderlich ist die Titelwahl, da doch der Originaltitel Lurulu
nicht nur sehr gut, sondern auch um etliches passender ist.
Ansonsten ist es Armin Patzke mit seiner Übersetzung hervorragend gelungen, den Reichtum des Vanceschen Wortumfanges
wiederzugeben, der sich nicht zuletzt in den wunderbaren Wortschöpfungen wie etwa "Timbel" widerspiegelt.
Fazit:
Myrons Reisen ist ein angenehmer Zeitvertreib für lange Winterabende. Tiefsinnig und humorvoll, angereichert mit wunderbaren,
fernen Welten und exotischen Völkern. Eher etwas für den intellektuellen Nachtisch, als für einen heißen
Schub Adrenalin.
Die Werke von Arthur C. Clarke gelten als Klassiker der Science Fiction und doch reduziert man sie schnell auf sein
berühmtestes Buch "2001". Fahrstuhl zu den Sternen zeigt, dass es aber noch wesentlich mehr bei Arthur C. Clarke zu
entdecken gibt.
Zunächst schreibt der Autor solide und vor allem sehr abwechslungsreich.
Die verschiedenen Figuren werden elegant eingeführt, ihr Lebenslauf anhand wesentlicher Merkmale festgeklopft.
Der Perspektivenwechsel ist recht nützlich, da er dem Leser Offerten für die Größe des Projekts macht.
Die Präsentation hingegen hat etwas Ältliches an sich, hier spürt man den Hauch des Alters, den das Werk hat.
Ansonsten bringt Clarke eine heute recht vorstellbare Unvorstellbarkeit sehr spannend an den Leser.
Das zentrale Thema des Romans ist aber nicht die technische Idee eines Fahrstuhles bis hinauf in den hohen Orbit der Erde, es ist
viel mehr spirituell. Und das gelingt Clarke durch eine erstaunliche thematische Verknüpfung verschiedener Handlungselemente,
die nur scheinbar nichts miteinander zu tun haben.
Die außerirdische Raumsonde Starglider und die religiöse Auseinandersetzung mit den buddhistischen Mönchen sind
eins.
Auf einer Ebene diskutiert er hier den Antagonismus zwischen den Naturwissenschaften und der Theologie, wobei Clarke ja Starglider
eine statistische Auswertung liefern lässt, wonach Religion ziemlich exakt mit humanoiden, zweigeschlechtigen,
familienbildenden Zweibeinern zu tun hat.
Allerdings verschließt sich Clarke auch nicht der geistigen Dimension, die die Mönche von Tabropane einbringen.
Auf einer weiteren Ebene untersucht Clarke die Triebkräfte hinter den Figuren. Alle seine Charaktere sind beständig am
Reflektieren. Sie positionieren sich immer wieder neu, etwa Doktor Choam Goldberg. Zwischen geistiger Erleuchtung im spirituellen
Sinn und dem genialen Funken einer technischen Idee gibt es Zusammenhänge, denen Clarke nachspürt.
Überraschend an der Lektüre ist aber für mich etwas anderes.
Clarke schafft es, recht früh das Sternenfahrstuhlkonzept einzubringen und ohne, dass wesentlich mehr passiert, eine komplexe
und trotzdem klare Geschichte zu erzählen.
Was er nebenbei über die Geschichte der Menschheit erzählt, fließt trotz aller zeitlichen Färbung, sehr
harmonisch in die Handlung ein. Es gibt einfach keine Holzhammerinfoblöcke.
Ebenso sorgfältig ist Clarke in der Charakterisierung seiner Figuren. Meist erzählt er über sie mehr durch die
Augen der anderen Figuren. Wir erfahren da und dort, warum der eine den anderen sympathisch oder flach findet. Dabei wechseln die
Perspektiven zwar schnell aber dennoch sanft. Cliffhanger gibt es eher nicht.
"Fahrstuhl zu den Sternen" ist ein ruhiger Roman.
Der Bau des Fahrstuhls bietet Clarke ausreichend Gelegenheit sowohl technische als auch charakterliche Ausbauarbeiten an den
Figuren durchzuführen. Zwar ist Morgan eindeutig die zentrale Figur, aber zu keinem Zeitpunkt werden die anderen Personen
außen vor gelassen.
Clarke lässt selbst in der Katastrophe Platz für eine Weiterentwicklung.
Wenn man sich anschaut, wie ausführlich er sich dem Unfall am Schluss des Romans widmet, und wie umfassend er mit ganz kurzen
Abschnitten er darüber berichtet, merkt man deutlich die Meisterschaft in Clarkes Erzählkunst.
Bei Clarke hat die Suche nach Selbstbestimmung und Göttlichkeit immer seinen hervorgehobenen Platz. Sowohl Starglider als
auch die Mönche, erweisen sich als ähnlich gewichtige philosophische Konzepte.
Morgan bau nicht nur einen Fahrstuhl zu den Sternen, sondern auch in eine Erweiterung der menschlichen Grenzen.
Bezeichnender Weise stirbt er, als er zurück zur Erde kehrt.
Spannend ist die Frage, warum Der Turm nicht nach ihm benannt wurde.
Was wollte denn der Tyrann Kalidasa?
"Der niedrigste Bettler konnte auf der Höhe des Berges das heilige Morgendämmern begrüßen und die Segnungen
der Götter empfangen; aber der Herrscher dieses Landes konnte es nicht"
Am Ende gibt es den Tempel nicht mehr. Selbst die Sonne verblasste.
Aber der steinerne Thron Kalidasas und der Turm überstanden alles.
Morgan wurde letztendlich zu jenem letzten Künstler, der Kalidasas Traum erfüllte.
Sich über die Begrenztheit der Religion hinauszubewegen. Mit Kreativität das Morg(a)en gestalten.
Clarke geht es nicht nur um eine Ingenieursleistung. Er zeigte einen evolutionären Sprung in der Menschheitsgeschichte.
Clarke eben.
Die Geschichte der Familie Siorac geht weiter. Der wilde Tanz der Seidenröcke erzählt dabei die ersten Schritte von
Pierre-Emmanuel in der französischen Adelsgesellschaft zur Zeit Henri Quatres. Erneut berichtet der Protagonist aus einer
fernen Zukunft in Form von Memoiren und wie gewohnt spricht er seine schöne Leserin an, wenn Pierre-Emmanuel auch etwas
weniger galant und seine Leserin etwas widerborstiger ist.
Angesiedelt in den letzten Lebensjahren Henri Quatres liegt das Augenmerk Merles nicht auf großen historischen Ereignissen,
vielmehr versetzt er uns tief in die Intrigen und Ränke des französischen Hofes. Pierre-Emmanuel wird dabei als
Bourbonen Bastard Zeuge und Teilhaber größtenteils lächerlicher Anekdoten und Histörchen, die wohl kaum den
Weg in die Geschichtsbücher finden.
Besonders das frivole Sexualleben kommt zur vergnüglichen Geltung, der Autor ist ein Meister in der Beschreibung
amouröser Abenteuer.
Allerdings vermittelt das Ganze auch einen starken Eindruck von Romantisierung. Die doch stark beengte Sicht auf den Adel, reizt
zum inneren Widerspruch und man bemerkt als Leser immer mehr wie fragwürdig doch die Aristokratie war.
Selbst der so noble und edle Marquis de Siorac, Pierre-Emmanuels Vater, ist letztendlich ein bigotter Lebemann, der auf Kosten
anderer seinen Trieben nachgeht, wenn er etwa die schöne Holzdiebin bei sich behält und deren Armut ausnutzt, indem er
sich Kost und Logis mit Sex bezahlen lässt. Erstaunlicherweise baut Merle diese Szene zwar ein, versucht sie aber in die
Hintergrund zu drängen. Entweder akzeptiert er diese Handlungsweise als Kavaliersdelikt oder er empfand so etwas wie Scham
für seine Figur.
Charakteristisch ist auch die Positivierung der Herrscher. Nach Henri wird auch sein Sohn Louis von Anfang an als liebenswert und
bedeutsam dargestellt. Fehler und Schwächen werden großzügig verziehen, ohne die Glorie ankratzen zu können.
Es fällt bei solch einer Darstellung der Könige schwer sich vorzustellen, dass ihr Prunk von Millionen Bauern und
Handwerkern bitter bezahlt wurde.
Merle schiebt zwar wieder Figuren aus der Unterschicht ein, die ihre Probleme ausbreiten, allerdings mit einer fatalistischen
Herrschaftsgläubigkeit und Liebe.
Die Brüche zum vorhergehenden Band sind daher doch sehr groß. Besonders im Bereich Religion wird Merle schwammiger. Die
Scheinheiligkeit steht nun nicht mehr am Pranger, vielmehr verblassen die guten Figuren zu Schemen und Stichwortgebern. Mag sein,
dass es auch Merles Thema nicht war in diesem Band.
Ein Band ohne Höhepunkte von gleich bleibend herausragender Sprache und Stilistik. Die Glorifizierung des Adels
stößt etwas negativ auf und hinterlässt starke Zweifel in Punkto Glaubwürdigkeit. Die eigentliche
Stärke der "Fortune de France", nämlich eine Verbindung von Abenteuern und Geschichtsvermittlung, ist in Der wilde Tanz
der Seidenröcke vernachlässigt worden.
Was für ein ödes Buch.
Langatmig und dröge. Warum muss man immer Romane schreiben, wo man nur Handlung für eine Kurzgeschichte hat und den Rest
mit beliebigem Physikkram und langweiligen Beschreibungen in Langfassung aufplustern?
Weder Humor noch Spannung lässt sich in dem Werk entdecken. Der Stil ist einschläfernd.
Wozu der gesamte Hintergrund in fetten Infoblöcken mehrmals breitgetreten werden muss, entzieht sich meinem Verständnis.
Selbst dort, wo man eigentlich etwas Farbe erwarten könnte, wenn Ae krank und verletzt auf Rain dahinsiecht, schweift der
Autor immer wieder ab und berichtet nicht über seine Figur, sondern müllt den Leser mit Erklärungen zu, die
keinerlei Relevanz besitzen. Wenn es mal um Motive geht, werden sie kurz hingestellt, ohne Erklärung oder ohne auch nur den
Versuch zu wagen, das Motiv zu untermauern.
Warum bringt Ae Enkida um? Weil sie ihn verraten könnte?
Ja wie denn? Gibt es in dem Regenwald da Kommunikationsmittel? Und warum sollte sie es bei wem tun?
Warum kümmert sich AE eigentlich nicht gleich um neue Nano's?
Ich vermute, der Autor hat einen festen Plan von der Handlung und ob es logisch ist oder nicht, der wird nun durchgezogen.
Wobei ich noch keine wirklich interessante Handlung entdecken konnte. Da erzählt jemand im Knast über das Verbrechen,
für das er einsitzt. Beginnend mit dem Ausbruch aus dem letzten Gefängnis, der ihm im Ausgleich für den Auftrag die
Menschen eines Planeten zu eliminieren, von Unbekannten organisiert wird.
Das ist in meinen Augen eine Idee, die eine spannende Geschichte in Gang setzen könnte, aber leider ist es so, dass Adams
nicht wesentlich mehr zu bieten hat.
Neben dem uninteressanten Thema ist es vor allem der flache und langatmige Stil der mich abstößt.
Adams ist einfach nicht in der Lage seine Szene zu bebildern, alles bleibt blass und lieblos. So degradiert er die eh schon
sinnlosen Zwischenstationen erst recht zu diffusem Geflimmer.
Und dann diese ständigen Wiederholungen. "ich hab keine dotTech", "die Wheah sind Barbaren", "so viele Tote haben doch keinen
Sinn"...
Dann der Stilaufhänger selbst. Aus therapeutischen Gründen schreibt er Briefe an einen Stein. Jedoch wird diese Therapie
nicht zu einem Ende geführt. Damit wird das Briefeschreiben zur plumpen Stilübung.
Albern fand ich die Fußnoten, die zum Teil gar nichts hinzuzufügen hatten.
Das Buch ist so schlecht, dass man es schnellstens vergessen sollte.
Der sechste Band von Robert Merles Symphonie französischer Geschichte erschien bereits 1985 und fand nun auch endlich den
Weg in deutsche Buchhandlungen. Damit schloss sich die große Lücke, die der Aufbau-Verlag schuf, als man sich dort
entschied, die Bände vier bis sechs hintendran zu hängen, wenn der Autor seine Arbeit an der Serie beendet hätte.
Der Tod Robert Merles setzte dieses Ende wohl etwas früher, als vom Verlag erwartet.
Dabei berichtet der Protagonist Pierre de Siorac seiner "schönen Leserin" von seinen Abenteuern in einer für die
französische Geschichte sehr bedeutungsvollen Zeit.
Zwar finden seine Memoiren mit diesem Band ihr Ende, aber Robert Merle lässt schon in Band 7 der Fortune de France Serie den
Sohn diese Tradition fortsetzen.
Mit Henri Quatres erfolgreicher Rückeroberung Frankreichs wurde die Voraussetzung für den absolutistischen Staat
geschaffen und mit dem Edikt von Nantes ein überaus blutiger Religionskrieg beendet. Oder zumindest fast. Ursprünglich
wollte Merle auch genau hier seine Historie enden lassen, aber über genau dieses "fast" stolperte auch er, wie man im Vorwort
zum Folgeband Der wilde Tanz der Seidenröcke nachlesen kann.
Bei all den welterschütternden Ereignissen hat unser Marquis de Siorac seine Finger im Spiel. Und nicht nur die. Seine
grenzenlose Liebe der Weiblichkeit hilft ihm bei seinen geheimen Missionen ebenso, wie die überaus raffinierten Verbindungen,
die er mit einigen der einflussreichsten Männer und Frauen, eingeht.
Neben den geschichtlichen Begebenheiten, etwa dem Tod Phillipps II. von Spanien oder der Absolution Henri Quatres in Rom,
erzählt Merle pointiert viele kleinere Geschichten, die die Zeit um 1600 lebendig werden lassen. Vom Geruch über der
Kleiderordnung bis hin zum Essen serviert uns der Autor ein reichhaltiges Bouquet, dessen Farbenpracht ungemeinen Spaß beim
Lesen bereitet.
In einem kurzen Intermezzo lässt Merle Siorac auch erklären, indem dieser sich an seine "schöne Leserin" wendet,
warum er soviel über Kriege berichtet:
"Trotzdem, bedenken Sie bitte, dass dem Bild, das ich von unserer Zeit zu entwerfen versuche, die Farben der Wahrheit fehlen
würden, wenn ich diese Momente ausließe, in denen Frankreichs Schicksal, ja sogar seine Existenz, auf Messers Schneide
stand."
Die besondere französische Note, frivol und fröhlich zugleich, unbeschwert von geschichtlichen Depressionen, macht das
Besondere an diesem Roman aus.
Die Nähe zu Dumas ist zwar zu spüren, jedoch hat Merle keine Scheu über Sex zu reden, oder aber wie in der
Sterbeszene Phillips, über Urin und Kot zu schreiben.
Der Marquis de Siorac ist ein traditioneller Held, er ist klug, attraktiv, weltgewandt, kann sehr gut fechten und mit Menschen
umgehen. Er unterliegt der klassischen Unfehlbarkeit des Abenteurers und seine Lebensgeschichte ist alles andere als ein Drama.
Dem Leser wird somit ein kurzweiliges Leben zu teil, das spielerisch geschichtliches Wissen vermittelt, in einer Breite und
Gründlichkeit, die zum Staunen zwingt.
Merle bedient sich dabei einer geschliffenen Sprache, die er sogar mit Lokalkolorit versieht, etwa wenn sich Sioracs Sprache an
die italienische Fülle und der spanischen Grandezza anpasst. Trotzdem bleibt Merle modern. Seine Erklärungen lateinischer
Begriffe oder spezieller fremdsprachiger Ausdrücke nehmen exakt Rücksicht auf das zu erwartende Wissensniveau seiner
Leser.
Der Tag bricht an ist ohne Zweifel ein Meisterwerk des historischen Romans und macht furchtbar neidisch, dass es für die
deutsche Geschichte keine vergleichbare Reihe wie die Fortune de France gibt.
Last updated: 30.05.2006 13:17
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